1 Zuordnung zum Personenkreis

1.1 Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit

Eine selbstständige Tätigkeit wird hauptberuflich ausgeübt, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her alle anderen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt. Die selbstständige Tätigkeit stellt dann den "Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit" dar. Bei der Prüfung, ob eine selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird, sind der Zeit- und der Geldfaktor gleich stark zu gewichten. In diese Beurteilung sind selbstständige Tätigkeiten als land- oder forstwirtschaftlicher Unternehmer oder als Künstler oder Publizist mit einzubeziehen.

1.2 Zeitliche und wirtschaftliche Bedeutung

Vom zeitlichen Umfang her ist eine selbstständige Tätigkeit dann als hauptberuflich anzusehen, wenn sie mehr als halbtags ausgeübt wird.[1] Dabei ist auch der zeitliche Umfang für eventuell erforderliche Vor- und Nacharbeiten zu berücksichtigen. Mit zu berücksichtigen ist ebenfalls die für die kaufmännische und organisatorische Führung des Betriebs erforderliche Zeit. Die wirtschaftliche Bedeutung der selbstständigen Tätigkeit wird anhand der Höhe des Arbeitseinkommens bemessen.[2] Maßgeblich ist der nach den Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn.

1.3 Beschäftigung von Arbeitnehmern

Hauptberuflichkeit ist auch ohne Prüfung der wirtschaftlichen Bedeutung anzunehmen, wenn der Selbstständige als Arbeitgeber von mindestens einem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer auftritt.[1] Das Gleiche gilt auch, wenn mehrere Minijobber beschäftigt werden, deren Arbeitsentgelt aber insgesamt mehr als die Geringfügigkeitsgrenze beträgt. Diese gesetzliche Vermutung ist jedoch widerlegbar, wenn der Selbstständige nachweist, dass – obwohl er Arbeitgeber ist – die selbstständige Tätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und vom zeitlichen Umfang her nicht seine Lebensführung prägt und insofern nicht hauptberuflich ausgeübt wird.

 
Hinweis

Feststellung der Hauptberuflichkeit bei Arbeitnehmerbeschäftigung in der Vergangenheit

In der Vergangenheit war die Beschäftigung von Arbeitnehmern lediglich ein Indiz für eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit, ausschlaggebend war aber die wirtschaftliche Bedeutung und der zeitliche Umfang der Tätigkeiten.

1.4 Arbeitnehmer bei Gesellschaftern

Bei Gesellschaftern gelten auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft als Arbeitnehmer des einzelnen Gesellschafters. Verfügt eine Gesellschaft über mehrere Gesellschafter, kann ein dort beschäftigter Arbeitnehmer dem einzelnen Gesellschafter nur dann als Arbeitnehmer zugerechnet werden, wenn sich bei einer Aufteilung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers gemäß der Kapitalbeteiligung auf die einzelnen Gesellschafter ergibt, dass der selbstständig Tätige (als einer der Gesellschafter) den Arbeitnehmer mit mehr als die Geringfügigkeitsgrenze "beschäftigt". Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschaft mehrere Minijobber beschäftigt. Nicht zu berücksichtigen sind hierbei stille Gesellschafter, da diese nicht als selbstständig Erwerbstätige gelten.

1.5 Selbstständige Tätigkeit neben anderer Erwerbstätigkeit

Wird eine selbstständige Tätigkeit neben einer vollschichtig ausgeübten Beschäftigung als Arbeitnehmer betrieben, spricht das gegen die Hauptberuflichkeit der selbstständigen Tätigkeit. Dabei spielt die Höhe des Entgelts keine Rolle. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass neben der vollschichtigen Beschäftigung für eine als hauptberuflich geltende Selbstständigkeit kein Raum mehr bleibt. Das gilt gleichfalls bei Arbeitnehmern, die mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeiten und deren monatliches Arbeitsentgelt mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße[1] beträgt (2024: 1.767,50 EUR; 2023: 1.697,50 EUR).

 
Praxis-Beispiel

Abhängige Beschäftigung und gleichzeitige Selbstständigkeit

Frau F. betreibt einen Geschenke-Shop, den sie nur in den frühen Abendstunden für jeweils 3 Stunden geöffnet hat (17 bis 20 Uhr). Damit erzielt sie ein Arbeitseinkommen von durchschnittlich 1.200 EUR monatlich. Außerdem arbeitet sie als Arbeitnehmerin in der Entgeltabrechnung eines Baugeschäfts wöchentlich 25 Stunden gegen ein monatliches Entgelt von 1.800 EUR. Frau F. gilt nicht als hauptberuflich selbstständig, weil sie mehr als 20 Stunden wöchentlich in eine Beschäftigung investiert und ihr Entgelt mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße ausmacht.

[1] 2024: 3.535 EUR; 2023: 3.395 EUR.

1.6 Selbstständige Tätigkeit ohne andere Erwerbstätigkeit

Wird neben der selbstständigen Tätigkeit keine andere Erwerbstätigkeit ausgeübt, gilt die selbstständige Tätigkeit trotzdem nicht automatisch als hauptberuflich ausgeübt. Entscheidend ist die Bedeutung für die Lebensführung des Betroffenen. Dabei ist auf den wirtschaftlichen Erfolg und den zeitlichen Aufwand abzustellen:

Kriterien für die Hauptberuflichkeit

  • Zeitaufwand von mehr als 30 Stunden wöchentlich.
  • Zeitaufwand zwischen mehr als 20 und höchstens 30 Stunden wöchentlich, wenn das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt. Das kann nur dann der Fall sein, wenn das Arbeitseinkommen mindestens 50 % der monatlichen Bezugsgröße ausmacht (2024: 1.767,50 EU...

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