Leitsatz (amtlich)

1. Die Befugnis des Verwaltungsgerichts, eine von der Regel, daß bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wahlanfechtung der neugewählte Personalrat die Geschäfte führt, abweichende einstweilige Regelung zu treffen, setzt voraus, daß Gründe vorliegen, welche die abweichende Regelung als die bessere, vorzugswürdigere Übergangslösung erscheinen lassen.

2. Geht es in der Hauptsache nicht um die Ungültigerklärung der Wahl, sondern um eine Berichtigung des Wahlergebnisses, so ist die Anordnung, daß bis zur Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses die Personalratsgeschäfte von denjenigen wahrgenommen werden, die aufgrund des berichtigten Wahlergebnisses zu Personalräten gewählt worden sind, vorzugswürdig, sofern gegen die vorgenommene Berichtigung keine durchgreifenden Bedenken bestehen.

3. Bei der rechtswidrigen Ungültigerklärung von Stimmzetteln handelt es sich um einen Wahlfehler, der im Wege der Berichtigung behoben werden kann.

4. Ob bei der Stimmabgabe durch Briefwahl der Wähler den Stimmzettel persönlich und unbeobachtet gekennzeichnet hat, ist vom Wahlvorstand nicht zu überprüfen. Insbesondere sieht die Wahlordnung eine Beweiserhebung zu dieser Frage durch Sachverständigengutachten nicht vor.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über eine einstweilige Regelung nach § 26 Abs. 4 HmbPersVG. Danach führt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wahlanfechtung der neugewählte Personalrat die Geschäfte, wenn das Verwaltungsgericht nicht auf Antrag eine abweichende einstweilige Regelung trifft.

1. Im Herbst 1998 fand am Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) eine – außerordentliche – Wahl des aus 21 Mitgliedern bestehenden Personalrats für das nichtwissenschaftliche Personal statt. Hiervon wählte die Gruppe der Angestellten 15 Vertreter. Die Stimmabgabe fand als Briefwahl statt. Abschluß der Wahl war Montag, der 23. November 1998, 13.00 Uhr. Anschließend begann der Wahlvorstand mit der öffentlichen Auszählung. Nach Beendigung der Auszählung wurde das Ergebnis am Abend des 23. November für die Gruppe der Angestellten mündlich und schriftlich auf einer Tafel wie folgt verlautbart:

Stimmen:

Sitze:

Liste 1

723

5

Liste 2

404

3

Liste 3

124

1

Liste 4

176

1

Liste 5

619

5

Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses vom 26. November 1998 und die Wahlniederschrift vom 27. November 1998 lauten demgegenüber wie folgt:

Stimmen:

Sitze:

Liste 1

723

6

Liste 2

404

3

Liste 3

124

1

Liste 4

176

1

Liste 5

579

4

Dem lag zugrunde, daß der Wahlvorstand am 25. November 1998 40 für die Liste 5 abgegebene Stimmzettel, die er am Vortage bei einer Überprüfung ausgesondert hatte, weil „offensichtlich von einer Person ausgefüllt” für ungültig erklärt hatte. Alle diese Stimmzettel waren mit einem roten Filzschreiber angekreuzt worden. Die geänderte Sitzverteilung hat erhebliche Auswirkungen auf die faktischen Mehrheitsverhältnisse im Personalrat.

Die Personalratswahl wurde in der Folge von der Dienststelle (2 VG FL 29/98 = 8 Bf 122/99) sowie von drei Wahlberechtigten (2 VG FL 30/98 = 8 Bf 123/99) angefochten. Gerügt wurden insbesondere die Durchführung der gesamten Wahl als Briefwahl, die ungenügende Sicherung und Verwahrung der zurückgesandten Wahlbriefe, die Ersetzung von angeblich verlorengegangenen Wahlunterlagen durch Ausgabe gekennzeichneter Zweitexemplare, die nachträgliche Änderung des Ergebnisses der öffentlichen Stimmenauszählung in nichtöffentlicher Sitzung, das Fehlen einer die Auszählung begleitenden Wahlniederschrift und deren verspätete Erstellung.

In den beiden Wahlanfechtungsverfahren stellte das Verwaltungsgericht durch Beschlüsse vom 4. März 1999 fest, daß das Wahlergebnis für die Gruppe der Angestellten wie folgt ausgefallen ist:

Liste 1

723 Stimmen

Liste 2

404 Stimmen

Liste 3

124 Stimmen

Liste 4

176 Stimmen

Liste 5

619 Stimmen

und daß die Sitzverteilung wie folgt lautet:

Liste 1

5 Sitze

Liste 2

3 Sitze

Liste 3

1 Sitz

Liste 4

1 Sitz

Liste 5

5 Sitze.

Die weitergehenden Anträge hat es abgelehnt. Beide Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig.

Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung aus: Die Entscheidung des Wahlvorstands, zwei Tage nach der Auszählung 40 für die Liste 5 abgegebene Stimmzettel auszusondern und für ungültig zu erklären, sei rechtswidrig gewesen. Zunächst gehöre die Aussonderung von ungültigen Stimmen zum Wahlauszählungsverfahren und sei in einer öffentlichen Sitzung durchzuführen. Damit liege ein Verstoß gegen § 23 Abs. 3 HmbPersVG vor. Darüber hinaus sei die Ungültigerklärung auch materiell nicht rechtmäßig. Insoweit führte das Verwaltungsgericht aus:

„Die Annahme, daß diese mit rotem Filzstift ausgefüllten Stimmzettel von einer Person stammen und damit ungültig sind, entbehrt einer Beweisgrundlage, ja sogar eines hinreichenden Verdachtes. Schon die Aussonderung dieser Stimmzettel aus den 619 für die Liste 5 abgegebenen Stimmzettel ist schwer nachzuvollziehen, da man genauso die zahlreichen mit schwarzem Filzstift für die Liste 1 … abgegebenen Stimmzettel hätte herausziehen können und andere...

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