Leitsatz

Grundsätzlich keine rückwirkende Kostenverteilungsänderung auch durch Öffnungsklauselbeschluss

 

Normenkette

§§ 21 Abs. 4, 23 WEG

 

Kommentar

  1. Eine rückwirkende Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, die auf der Grundlage einer Öffnungsklausel durch Mehrheitsbeschluss vorgenommen wird, führt regelmäßig zu einer unbilligen Benachteiligung der betroffenen Wohnungseigentümer und ist deshalb insoweit für ungültig zu erklären.
  2. Ein vereinbarter Verteilungsschlüssel kann bei Vorliegen einer Öffnungsklausel durch Mehrheitsbeschluss abgeändert werden, allerdings nur dann in zulässiger Weise, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt und einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem bis dahin bestehenden Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden (BGH v. 27.6.1985, VII ZB 21/84, NJW 1985, 2832 und Senat v. 20.12.2004, 15 W 367/04, 15 W 368/04, 15 W 369/04, OLGR Hamm 2005, 262 (LS)). In Bezug auf den Kostenverteilungsschlüssel ist Beschlussfassung insbesondere dann zulässig, wenn sich die Verhältnisse gegenüber früher in wesentlichen Punkten geändert haben oder sich die ursprünglich vorgesehene Verteilung – weil den tatsächlichen Verhältnissen nicht angemessen – nicht bewährt hat. Insoweit kann sich der Senat auch nicht der Entscheidung des OLG Frankfurt (v. 13.4.2000, 20 W 485/98, NZM 2001, 140) anschließen, soweit es auch bei Vorliegen einer Öffnungsklausel für notwendig erachtet wird, dass außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an dem geltenden Schlüssel grob unbillig erscheinen lassen. Eine erneute Vorlage zum BGH ist allerdings nicht geboten, da sich die jetzige Senatsentscheidung im Einklang mit der bereits vorgenannten BGH-Entscheidung befindet.
  3. Für die Zukunft konnte hier aufgrund der vereinbarten Öffnungsklausel durch Mehrheitsbeschluss die Kostenverteilung geändert werden. Keinen Bestand kann allerdings der Beschluss haben, soweit die Änderung mit Wirkung für ein bereits zurückliegendes Wirtschaftsjahr erfolgen soll. Eine solche Rückwirkung stellt eine unbillige Benachteiligung dar. Eigentümer können nämlich darauf vertrauen, dass die laufenden Kosten der Gemeinschaft nach demjenigen Verteilungsschlüssel abgerechnet werden, welcher der Vereinbarungs- und Beschlusslage im betreffenden Abrechnungszeitraum entspricht. Sie müssen nicht damit rechnen, dass dieser Schlüssel mit Rückwirkung für bereits abgeschlossene Abrechnungszeiträume willkürlich verändert wird. Ein veränderter Verteilerschlüssel erlangt erst ab Rechtskraft einer Entscheidung Wirkung (BGH v. 13.7.1995, V ZB 6/94, NJW 1995, 2791 m. w. N.). Anders mag dies sein, wenn ein geltender Verteilungsschlüssel unpraktikabel ist oder zu grob unbilligen Ergebnissen führt (OLG Karlsruhe v. 23.8.2000, 11 Wx 12/00, NJW-RR 2001, 1306). Ist dies nicht der Fall, greift eine durch Mehrheitsbeschluss bewirkte rückwirkende Änderung des Kostenverteilungsschlüssels regelmäßig in schutzwürdige Belange einzelner Eigentümer ein. Vorliegend war der bisher benutzte Verteilerschlüssel weder unpraktikabel noch grob unbillig.
 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 27.07.2006, 15 W 440/05OLG Hamm v. 27.7.2006, 15 W 440/05

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