1 Normzweck

 

Rz. 1

§ 882 a Abs. 1 ZPO bezweckt einerseits, die Erfüllung der dem Staat oder der sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts obliegenden öffentlichen Aufgaben bzw. wo ein öffentliches Interesse entgegensteht (LG Berlin, Kunst und Recht 2010, 130) zu sichern, indem durch eine Wartefrist Gelegenheit zur Bereitstellung von Mitteln oder Einlegung von Rechtsbehelfen gegeben wird, andererseits sollen Gläubigerrechte nicht mehr als nötig beschnitten werden (OLG Frankfurt, FoVo 2008, 121; vgl. BVerfG, NJW 1982, 2860 BVerfG, 1999, 778). Dieser Schutzzweck erfordert es nicht, eine Pfändungsmaßnahme gänzlich als unwirksam zu behandeln, wenn die erforderliche Anzeige unterblieben ist.

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Der Anwendungsbereich der Norm erstreckt sich nach dem Wortlaut gegen

den Bund bzw. ein Bundesland sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Hierzu zählen auch Landkreise als Gebietskörperschaften. § 15 Nr. 3 EGZPO lässt anderweitige landesrechtliche Vorschriften zu. Dort sind zwar wörtlich nur Gemeinden und Gemeindeverbände genannt, wobei Landkreise weder Gemeinden noch Gemeindeverbände darstellen. Es ist jedoch von einer entsprechenden Anwendung auf weitere kommunale Gebietskörperschaften wie Landkreise auszugehen, da ein Grund für eine Ungleichbehandlung nicht ersichtlich ist (vgl. LG Heilbronn, Rpfleger 2018, 220; MünKomm/ZPO-Gruber, § 15 EGZPO Rn. 4).

 

Rz. 3

Es muss sich ausschließlich um eine Vollstreckung wegen einer Geldforderung (LG Berlin, EnWZ 2015, 230) aus einem zivilrechtlichen Titel der ordentlichen Gerichtsbarkeit bzw. Arbeitsgerichtsbarkeit handeln. Die Vorschrift findet im Bereich der Verwaltungsvollstreckung keine Anwendung (VG Freiburg (Breisgau), Beschluss v. 24.4.2014, A 4 K 807/14 – Juris; BayVGH, BayVBl 2004, 571; VG Cottbus, Beschluss v. 1.2.2010, 6 M 15/09 – Juris; ebenso für den Bereich der FGO; vgl. FG Hamburg, EFG 2007, 1797; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss v. 29.6.2017, 3 N 708/17.NW – Juris). Hier gelten eigenständige Regelungen (§ 198 Abs. 1 SGG, § 170 VwGO, § 151 Abs. 1 FGO; VG Braunschweig, AGS 2018, 534; a. A. VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss v. 29.6.2017, 3 N 708/17.NW – Juris: nach Einzelfall angemessene Wartefrist; für analoge Anwendung für Begleichung von außergerichtlichen Kosten bei Behörden vgl. VG Göttingen, JurBüro 2017, 646; VG Saarbrücken, InfAuslR 2017, 87 m. w. N.).

 

Rz. 4

Die Norm ist auf die Pfändung von Kunstgegenständen eines ausländischen Staates, die sich während einer Ausstellung im Inland befinden analog anzuwenden (LG Berlin, Kunst und Recht 2010, 130).

 

Rz. 5

Unanwendbar ist die Regelung bei

  • öffentlich-rechtlichen Bank- und Kreditanstalten (Abs. 3 Satz 2) und
  • bei Gemeinden (Willenbruch, ZIP 1998, 817) und Gemeindeverbänden. Hier gilt § 15 Nr. 3 EGZPO d. h. die jeweiligen Gemeindegesetzgebungen der Länder.
  • der Zwangsvollstreckung in das in West-Berlin befindliche Vermögen der früheren Deutschen Reichsbahn. Hier ist die behördliche Genehmigung gemäß § 25 Abs. 2 Reichsbahngesetz erforderlich (BVerwGE 11, 174).

3 Verfahren

3.1 Wartefrist

 

Rz. 6

Die Wartepflicht für Vollstreckungsanträge hat sich an den Wertungen des Gesetzgebers auszurichten (BayLSG, SAR 2014, 28). Insoweit bestimmt die Norm, dass die Zwangsvollstreckung gegen den Bund oder ein Land wegen einer Geldforderung, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden, erst 4 Wochen nach dem Zeitpunkt beginnen darf, in dem der Gläubiger seine Absicht, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, angezeigt hat (Abs. 1). Die Berechnung der Frist erfolgt nach § 222 ZPO. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass die Durchsetzung dinglicher Rechte nicht von dieser Frist abhängt. Vor Beginn der Vollstreckung muss der Gläubiger daher zunächst seine diesbezügliche Absicht entweder der Behörde oder deren Prozessbevollmächtigten (§ 81 ZPO) anzeigen. Die Anzeige stellt dabei lediglich eine die Zwangsvollstreckung vorbereitende Maßnahme dar und ist als Prozesshandlung anzusehen. Dem Gläubiger ist auf Verlangen der Empfang der Anzeige zu bescheinigen (Abs. 1 Satz 2). Zwecks Feststellung des Beginns der vierwöchigen Frist sollte hierauf unbedingt bestanden werden.

 

Rz. 7

Sofern die Vollstreckung in ein von einer anderen Behörde verwaltetes Vermögen erfolgen soll, muss die Anzeige auch an den zuständigen Bundes- bzw. Landesfinanzminister erfolgen. Anzuzeigen ist lediglich die Vollstreckungsabsicht. Nähere Angaben über Ort und Zeit sowie insbes. den Gegenstand der beabsichtigten Vollstreckung werden nicht verlangt (MünchKomm/ZPO-Dörndorfer, § 882a Rn. 7).

3.2 Vollstreckung

 

Rz. 8

Nach Fristablauf darf der Gläubiger mit der Zwangsvollstreckung beginnen. Den Fristablauf hat das jeweilige Vollstreckungsorgan von Amts wegen zu prüfen.  Der Fristbeginn setzt nicht voraus, dass alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen müssen (MünchKomm/ZPO-Dörndorfer, § 882a Rn. 7; Musielak/Voit/Becker, § 882a Rn 3; a. A. OLG Frankfurt, Rpfleger 1981, 158; Zöller/Seibel, 882a Rn. 3). Die Vollstreckungsankündigung ist daher auch wirksam, wenn die einfache Klausel noch nich...

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