Entscheidungsstichwort (Thema)

Frist für die Abwendung der Vollstreckung einer Geldforderung nach § 152 FGO durch freiwillige Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gläubiger muss dem Vollstreckungsschuldner Gelegenheit geben, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden. Die Länge der dem Vollstreckungsschuldner einzuräumenden Frist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

 

Normenkette

FGO § 152

 

Tatbestand

I.

Das Finanzgericht Hamburg hatte mit Urteil vom 20.9.2006 (4 K 115/06) den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin einen Betrag in Höhe von DM 916.890,28 zu zahlen. Dieser Zahlungsverpflichtung kam der Antragsgegner in der Folgezeit in der Weise nach, dass er gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 18.10.2006 die Aufrechnung mit einer Forderung aus einem von der Antragstellerin angefochtenen Rückforderungsbescheid vom 23.2.2000 erklärte; mit diesem Rückforderungsbescheid verlangte der Antragsgegner von der Antragstellerin Ausfuhrerstattung in Höhe von rund 1 Mio. DM zurück.

Nachdem der Antragsgegner zunächst mit Bescheid vom 3.5.2006 die Vollziehung des Rückforderungsbescheides vom 23.2.2000 ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt hatte, widerrief er mit Bescheid vom 17.7.2006 die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung und machte nunmehr die Aussetzung der Vollziehung von der Leistung einer Sicherheit abhängig, die von der Antragstellerin indes nicht erbracht wurde.

Im Hinblick auf den Rückforderungsbescheid vom 23.2.2000 stellte die Antragstellerin am 20.10.2006 beim Finanzgericht Hamburg einen Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung, dem das Gericht mit Beschluss vom 24.1.2007 (4 V 201/06, juris) entsprach; der Beschluss vom 24.1.2007 ist an den Antragsgegner am 29.1.2007 abgesandt worden.

Am 24.1.2007 hat die Antragstellerin sodann bei Gericht einen Antrag nach § 152 FGO auf Vollstreckung aus dem Urteil vom 20.9.2006 gegenüber dem Antragsgegner gestellt. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 16.2.12007 mitgeteilt, dass er aufgrund des AdV-Beschlusses des Gerichts vom 24.1.2007 am 7.2.2007 die Auszahlung des Betrages aus dem Urteil vom 20.9.2006 an die Antragstellerin veranlasst habe.

Am 5.4.2007 haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 K 12/07, 4 V 201/06 und 4 K 115/06 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO durch Beschluss einzustellen und nurmehr gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 138 Abs. 1 FGO, dass die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt werden.

Zwar hat der Antragsgegner am 7.2.2007 die Auszahlung des Betrages aus dem Urteil vom 20.9.2006 an die Antragstellerin veranlasst und dadurch eine Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt. Er hat sich hiermit allerdings nicht freiwillig in die Position der unterlegenen Partei begeben, so dass ihm gemäß § 138 Abs. 2 FGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen gewesen wären. Vielmehr hat der Antragsgegner mit der Veranlassung der Auszahlung des streitigen Betrages allein die Konsequenzen aus dem Beschluss des Gerichts vom 24.1.2007 (4 V 201/06) gezogen, mit dem das Gericht die Vollziehung des Rückforderungsbescheides vom 23.2.2000 - scil. die mit Schreiben vom 18.10.2006 erklärte Aufrechnung mit der Forderung aus dem Rückforderungsbescheid vom 23.2.2000 - aufgehoben hatte. Vor diesem Hintergrund ist im Streitfall die Kostenentscheidung nicht nach § 138 Abs. 2 FGO, sondern gestützt auf § 138 Abs. 1 FGO unter Berücksichtigung des in dieser Vorschrift normierten Maßstabs zu treffen. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es aber billigem Ermessen (§ 138 Abs. 1 FGO), der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn der von ihr gemäß § 152 FGO gestellte Vollstreckungsantrag war verfrüht. Der Antragsgegner hatte noch keine Veranlassung gegeben, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.

Es ist in der Rechtsprechung im Grundsatz geklärt, dass dem Vollstreckungsschuldner vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen Gelegenheit gegeben werden muss, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.12.1998 - 2 BvR 1516/93 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 27.6.1993 - 2 BvR 1516/93 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 5.3.1991 - 1 BvR 440/83 -, juris; VGH München, Beschluss vom 2.3.2004 - 13 A 01.2055 -, juris; VG Stade, Beschluss vom 6.4.2005 - 6 D 287/05 -). Insoweit muss der Gläubiger dem Vollstreckungsschuldner eine angemessene Frist einräumen, wobei es vor dem Hintergrund des in § 152 Abs. 2 FGO geregelten Ankündigungsverf...

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