Leitsatz

Arbeitgeber sind nicht zur Entschädigung nach dem AGG verpflichtet, wenn sie die Indizien für eine willentlich geschlechtsbezogen ausgeschriebene Stellenanzeige widerlegen können.

 

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin hatte folgende Stellenanzeige geschaltet: "Wir suchen erfolgsorientierte, branchenkundige Außendienst-Verkäufer für den Großraum … . Sie verfügen bereits über Kontakte zu unseren Kunden und sind ein Verkaufsprofi mit Leib und Seele. … Idealerweise sind Sie nicht älter als 45 Jahre."

Auf dieses Inserat bewarb sich auch die 52-jährige Klägerin. Während eines Telefonats mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin im Rahmen des Bewerbungsverfahrens äußerte dieser sich irritiert darüber, dass sich die Klägerin, "eine Frau", beworben habe; sie solle doch das Inserat noch einmal genau lesen. Die ausgeschriebene Position besetzte die Arbeitgeberin sodann mit einem Mann, der älter als 45 Jahre war.

Die Bewerberin fühlte sich durch das Inserat und die anschließenden Äußerungen des Geschäftsführers wegen ihres Geschlechts und ihres Alters diskriminiert und klagte auf Entschädigung. Das ArbG bejahte eine Benachteiligung der Bewerberin wegen ihres Geschlechts und sprach ihr eine Entschädigung nach dem AGG zu: Die Bezeichnung "Außendienst-Verkäufer" wurde von der Arbeitgeberin nicht im geschlechtsneutralen Plural, sondern im geschlechtsbezogenen Singular verwendet. Das Fehlen einer geschlechtsneutralen Formulierung lässt nach h. M. bereits eine unzulässige Benachteiligung vermuten. Dieses starke Indiz für eine willentliche Benachteiligung wegen des Geschlechts wurde durch die nachfolgenden Aussagen des Geschäftsführers nicht widerlegt, sondern noch verstärkt.

Eine weitere Diskriminierung wegen des Geschlechts ist in seinem Hinweis zu sehen, die Klägerin möge die Stellenanzeige noch einmal genau lesen. Auch wenn die Arbeitgeberin die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin darauf stützt, ihr fehle die fachliche Qualifikation, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn für einen Verstoß gegen das AGG ist nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für die Diskriminierung ist. Es reicht aus, wenn der Diskriminierende aus mehreren Motiven heraus gehandelt hat und der Grund nach § 1 AGG – hier: das Geschlecht der Klägerin – gegenüber anderen Motiven nicht unbedeutend ist.

Eine Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Alters hielt das ArbG allerdings nicht für gegeben. Zwar verbiete das AGG die Ausschreibung von Arbeitsplätzen unter Verwendung von Alterskriterien als Differenzierungsmerkmal. Auch löst die verwendete Inseratsformulierung, der Bewerber solle "idealerweise nicht älter als 45" sein, die Indizwirkung für eine unzulässige Diskriminierung aus. Die Arbeitgeberin konnte diese jedoch widerlegen. Zum einen hatte sie bereits in den vergangenen 2 Jahren drei Mitarbeiter über 45 Jahre eingestellt. Zum anderen besetzte sie auch im konkreten Fall die ausgeschriebene Position mit einem über 45-jährigen Mann. Wegen der Geschlechtsdiskriminierung sprach das ArbG der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1 890 EUR zu. Der Betrag entspricht dem Gehalt, welches die Beklagte ihren Außendienstmitarbeitern durchschnittlich im Monat zahlt. Einen besonders schweren Fall, welcher wegen der Art und Schwere der Benachteiligung eine höhere Entschädigung gerechtfertigt hätte, sahen die Richter nicht als gegeben an. Insbesondere lag kein doppelter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor.

 

Link zur Entscheidung

ArbG Stuttgart, Urteil v. 5.9.2007, 29 Ca 2793/07.

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