Leitsatz

  1. Das Recht, eine Parabolantenne anbringen zu lassen, ist nicht von der Staatsbürgerschaft abhängig
  2. Die Gemeinschaft kann jedoch den Ort der Anbringung bestimmen
 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG; § 1004 Abs. 1 BGB; Art. 5 Abs. 1 und 14 GG

 

Kommentar

  1. Eine deutsche Staatsangehörige polnischer Herkunft brachte am Geländer vor ihrem Fenster eine Parabolantenne an, da sie über die Breitbandkabelanlage des Hauses nur zwei polnischsprachige Sender, jedoch keine Regionalprogramme aus ihrer Geburtsheimat Oberschlesien empfangen konnte. Nach ergebnisloser Abmahnung auf Entfernung der Parabolantenne beschloss die Gemeinschaft "Verwalterermächtigung, im Auftrag und zulasten der Eigentümer einen Anwalt ihrer Wahl hinzuzuziehen und ggf. auf Entfernung zu klagen, sollte die SAT-Antenne nicht bis … entfernt sein". Die nachfolgend erhobene Klage auf Entfernung der Antenne hatte in allen Instanzen Erfolg.
  2. Die eigenmächtige Anbringung der Antenne vor dem Fenster der Beklagten stellt einen Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum dar, den die restlichen Eigentümer ohne ihre Zustimmung nicht hinzunehmen brauchen (vgl. BGHZ 157 S. 322, 326). Nach § 1004 BGB i. V. m. §§ 14 Nr. 1 und 15 Abs. 3 WEG können die übrigen Miteigentümer deshalb die Beseitigung der Antenne fordern; zur Geltendmachung ihres Anspruchs wurde die Verwaltung durch den entsprechenden Beschluss rechtswirksam ermächtigt (vgl. BGH, BGHZ 116 S. 332/335 und Beschluss v. 30.3.2006, V ZB 17/06, NJW 2006 S. 2187 Rn. 12).
  3. Die Beklagte muss sich zwar nicht auf den Empfang von im Breitbandkabel nur zwei eingespeisten polnischen Sendern verweisen lassen. Dass sie und ihre Familienangehörigen ihre polnische Staatsangehörigkeit aufgegeben und die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, schränkt den Schutz des Informationsinteresses der Beklagten nach Art. 5 Abs. 1 GG nicht ein (vgl. VerfGH Berlin, GE 2007 S. 1178). Dies gilt auch für die Wirkungen der Grundrechte im Privatrecht. Vorliegend bestand unstreitig ein Interesse der Beklagten, von polnischen Fernsehsendern auch über die Ereignisse aus dem näheren Bereich ihres früheren Heimatlandes unterrichtet zu werden (vgl. BGH, Urteil v. 16.11.2005, NJW 2006 S. 1062, Rn. 1, 25 ff.). Die übrigen Eigentümer müssen der Beklagten deshalb den Empfang auch zusätzlicher, per Satellit ausgestrahlten polnischen Programme ermöglichen.
  4. Allerdings heißt dies noch nicht, dass die Beklagte eine Antenne am Geländer vor ihrem Wohnungsfenster anbringen kann und ihr auch etwa kein weiterer Aufwand zugemutet werden dürfe (vgl. BVerfG, NZM 2005 S. 252 und OLG Frankfurt, NZM 2005 S. 427, 428). Vielmehr sind das Interesse der übrigen Eigentümer auf Schutz ihres Eigentums in ästhetischer Hinsicht und das Informationsinteresse der Beklagten gegeneinander abzuwägen. Der Kläger hat auf die Möglichkeit hingewiesen, die Antenne weniger optisch störend im Dachbereich des Gebäudes anzubringen. Bei dieser Möglichkeit bestehe auch keine Beeinträchtigung des Empfangs zwischen dem Satelliten und der Antenne. Damit kann die Beklagte in Abwägung der Interessen verlangen, dass die übrigen Eigentümer der Anbringung einer Parabolantenne auf dem Dach des Hauses oder in dessen Dachbereich zustimmen. Auf jeden Fall ist eine solche Örtlichkeit nachhaltig geringer optisch störend als eine Antenne vor dem Fenster.
  5. Allerdings ist die Beklagte auch nicht ohne Zustimmung der restlichen Eigentümer berechtigt, die zur Anbringung der Antenne notwendigen Arbeiten am Dach des Hauses vornehmen zu lassen; vielmehr ist es den Miteigentümern vorbehalten, den konkreten Ort im Dachbereich des Gebäudes zu bestimmen (vgl. Senat, BGHZ 157 S. 322, 328).
Anmerkung

In diesem Zusammenhang darf auch auf ein sehr ausführlich begründetes Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 21.7.2008 (Az. 33 C 3540/07-31) zum Mietrecht hingewiesen werden. Auch dort wurde eine Abwägung der wechselseitigen Interessen Vermieter/Mieter in den Vordergrund gestellt (unter Hinweis auf OLG Frankfurt, NJW 1992 S. 2490, 2491; BGH, NZW 2007 S. 597; LG Wuppertal, NJW-RR 1999 S. 1457; BVerfG, NJW 1970 S. 225/236; LG Hanau, NJW-RR 1999 S. 597; BayObLG, WuM 1995 S. 224). Allerdings wurden dort auch andere technische Möglichkeiten angesprochen, etwa auch die einem Mieter grundsätzlich zumutbare Anschaffung eines Decoders, einer D-Box oder eine Set-Top-Box als günstigsten Zugang zum Empfang bestimmter Sender (vgl. auch LG Konstanz, NZM 2002 S. 341 und LG München I, WuM 2004 S. 659). Überdies wäre ggf. auch ein Empfang möglich per Videostream, also mittels einer Übertragung komprimierter Video- und Audiodateien über das Internet. Kann also ein Mieter via Internet gewünschte Programme empfangen, sei dies nicht als ein unverhältnismäßig hoher Aufwand anzusehen. Auch in diesem Streitfall hat der beklagte Mieter trotz Darlegungs- und Beweislast nichts vorgetragen, auch nicht, dass der Empfang über Parabolantenne für ihn die einzige Möglichkeit sei. Zudem hatte dort der Mieter durch Annahme der deutsc...

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