Leitsatz

  1. Zulässige Anfechtungsklage gegen die "Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß anliegender Eigentümerliste"
  2. Erfolgreiche Anfechtung der Beschlussgenehmigung eines auf Sondernutzungsfläche aufgestellten Gartenhauses
 

Normenkette

§§ 14, 22 Abs. 1, 46 Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

  1. Eine Anfechtungsklage, die gegen die "Wohnungseigentümergemeinschaft S. (Wohnungseigentümer siehe anliegende Liste)" gerichtet wurde, ist auslegungsfähig. Eine gewählte Bezeichnung zu den Parteien eines Rechtsstreits ist nicht allein ausschlaggebend; vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der Bezeichnung im Wege einer Auslegung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts einer Klageschrift aus Sicht der Empfänger (Gericht und Gegner) beizulegen ist (BGH, NJW 1998, 1496/1498). Dabei ist bei mehrdeutiger Parteibezeichnung grds. diejenige Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (LG Düsseldorf, ZMR 2008, 910). Insofern ergibt die Auslegung im vorliegenden Fall auch eindeutig, dass bei der Anfechtungsklage – anders als etwa bei einem Schadensersatzanspruch (vgl. OLG München, MDR 2007, 1305) – gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nur die übrigen Eigentümer als Personenmehrheit in Betracht kommen.
  2. Für die Beurteilung der Beeinträchtigung eines Gartenhauses im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG im Rahmen eines Beschlussanfechtungsverfahrens gegen einen Genehmigungsbeschluss kommt es nicht darauf an, ob das Gartenhaus für den Kläger sichtbar ist, geschweige denn, von welchem Standort innerhalb seines Sondereigentums aus das Gartenhaus noch zu sehen ist. Entscheidend ist der Blickwinkel von allen Gemeinschafts- und Sondereigentumsflächen aus. Vorliegend konnte sich auch der Kläger im Sinne allgemeiner Verkehrsanschauung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen. Von einer Nachteilswirkung über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus war bei dieser baulichen Veränderung auszugehen, da ein 9 qm großes Gartenhaus auf einer Sondernutzungsfläche mit Beanspruchung von etwa ¼ dieser Gartenfläche aufgestellt wurde. Das bereits errichtete Gartenhaus war nach Augenscheinstermin des Erstgerichts vom Kläger sowie anderen Miteigentümern von deren Sondernutzungsflächen aus gut einsehbar. Anders als etwa bei individuellen Beseitigungsansprüchen ist hier der Blickwinkel von allen Eigentümerflächen maßgeblich. Es genügt bereits, dass eine bauliche Veränderung von außen wahrnehmbar ist (vgl. OLG Zweibrücken, ZMR 2004, 61). Auch eine sichtschützende Bepflanzung gab es im vorliegenden Fall nicht, sodass der Fall auch nicht vergleichbar war mit der Entscheidung des BayObLG in NJW-RR 2003, 952.
  3. Ein nachgenehmigender Mehrheitsbeschluss dieser baulichen Veränderung führt jedoch nicht etwa zur Nichtigkeit des Beschlusses mangels Beschlusskompetenz, da das Erreichen der erforderlichen Stimmenzahl nicht kompetenzbegründend ist (vgl. OLG Zweibrücken, ZMR 2004, 61; Spielbauer/Then, WEG, § 22 Rn. 6). Der Beschluss war jedoch auf Anfechtung hin für ungültig zu erklären.
  4. Revision wurde gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2 ZPO nicht zugelassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besaß und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist.
 

Link zur Entscheidung

LG München I v. 16.2.2009, 1 S 20283/08, mitgeteilt von Ri'in am LG Dörmer

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge