Normenkette

§ 16 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

Die nächstliegende Bedeutung einer Regelung in der Gemeinschaftsordnung, dass bauliche Veränderungen eines Mehrheitsbeschlusses "bedürfen", ist die, dass ein Mehrheitsbeschluss ausreicht und nicht die Mitwirkung aller benachteiligten Wohnungseigentümer erforderlich ist. Ein solcher Beschluss ist allerdings auch dann für ungültig zu erklären, wenn für die bauliche Veränderung keine sachlichen Gründe vorliegen oder andere Wohnungseigentümer durch sie unbillig benachteiligt werden.

Es ging im vorliegenden Fall um die Errichtung eines Wintergartens auf der Sondernutzungs-Terrassenfläche eines Eigentümers. § 22 Abs. 1 WEG ist - wie hier durch Vereinbarung geschehen - abdingbar. Schutzlos ist allerdings eine Eigentümerminderheit auch in einem solchen Fall nicht. Eigentümer müssen darauf vertrauen können, dass ihre Rechte beeinträchtigende Eingriffe in das gemeinschaftliche Eigentum nicht ohne weiteres nach Belieben der jeweiligen Mehrheit vorgenommen werden. Insoweit ist die Interessenlage vergleichbar dem Fall, dass die Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss geändert werden kann. Hier wie dort geht es um Maßnahmen von weitreichender Bedeutung, die daher grundsätzlich nur unter Mitwirkung aller betroffenen Eigentümer vorgenommen werden können (zur Änderung der Gemeinschaftsordnung vgl. BGH Z 95, 137); gleiche Einschränkungen gelten auch für den vorliegenden Fall (sachlicher Grund und fehlende unbillige Benachteiligung anderer Eigentümer). Hier gibt es sachliche Gründe für die Errichtung des Wintergartens (Verhinderung einer Geruchsbelästigung durch neben der Terrasse befindliche Mülltonnen). Die Veränderung des Gesamtbildes der Anlage beeinträchtigt zwar die übrigen Wohnungseigentümer, aber nicht in unbilliger Weise. Sie fällt auch bei der gegebenen Unregelmäßigkeit des Baukörpers nicht besonders ins Gewicht und ist damit für andere Eigentümer zumutbar. Auch verstärkte Regentropfgeräusche führen nicht zu einer unbilligen Benachteiligung, da diese sich nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht wesentlich von den Geräuschen unterscheiden, die beim Auftreffen von Regen auf geparkte Kraftfahrzeuge entstehen.

Eine unbillige Benachteiligung für die restlichen Eigentümer ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit der Heizkostenabrechnung. Durch eine Wintergartenerrichtung vergrößert der Eigentümer seine Wohnfläche auch dann, wenn der Wintergarten nicht mit eigenem Heizkörper versehen wird, sondern über das dahinter liegende Zimmer mitbeheizt wird. In diesem Fall ist ohne weiteres für die Umlegung der Heizkosten die vergrößerte Fläche zugrunde zu legen; einer förmlichen Änderung der Gemeinschaftsordnung bedarf es hier nicht. Andere, unbillig benachteiligende Bewirtschaftungsmehrkosten sind ebenfalls nicht erkennbar. Im Übrigen ist hier vorliegend in der Gemeinschaftsordnung auch zum Ausdruck gebracht, dass zusätzliche Bewirtschaftungskosten derjenige Eigentümer zu tragen hätte, der sie veranlasst.

Die Billigung einer baulichen Veränderungsmaßnahme durch Beschluss steht allerdings stets von vornherein unter dem Vorbehalt etwaiger öffentlich-baurechtlicher Genehmigung.

Was die Kosten der Errichtung und den zukünftigen Unterhalt des Wintergartens betrifft, ergeben sich ebenfalls für die übrigen Wohnungseigentümer keine Nachteile (vgl. § 16 Abs. 3, 2. Halbsatz WEG). Nach dieser Bestimmung werden aber nur die Wohnungseigentümer freigestellt, die nicht zustimmen müssen, weil sie nicht nur geringfügig beeinträchtigt werden und deshalb nicht zugestimmt haben (OLG Frankfurt, OLG Z 81, 313; Demharter, MDR 88, 265/266); hierunter fällt die Antragstellerin nicht. Sie ist zwar beeinträchtigt; ihre an sich erforderliche Zustimmung wird aber aufgrund der Regelung in der Gemeinschaftsordnung durch den Mehrheitsbeschluss ersetzt, der für sie bindend ist. Sie hat sich daher grundsätzlich an den Kosten der baulichen Veränderung zu beteiligen. Im vorliegenden Fall ist jedoch der angefochtene Eigentümerbeschluss, der dem Eigentümer der betreffenden Wohnung die Errichtung des Wintergartens genehmigt, dahin auszulegen, dass die Errichtung durch ihn, also auf seine Kosten genehmigt wird und er auch die Folgekosten des Unterhalts zu tragen hat.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 21.11.1989, BReg 2 Z 123/89= NJW-RR 4/90, 209 = WMR 2/90, 90)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Bei allen baulichen Veränderungen, die ein einzelner Eigentümer am Gemeinschaftseigentum vornimmt, sollte bei jeglichem Genehmigungs- bzw. nachträglichem Gestattungsbeschluss ausdrücklich mitbeschlossen werden, dass der betreffende Eigentümer die Errichtungs- und auch die Folgekosten selbst zu tragen hat. Dieser Verantwortlichkeitsgrundsatz ergibt sich m.E. bereits sinngemäß aus § 16 Abs. 3 WEG; ein entsprechender eigener Beschlussinhalt würde hier Auslegungsprobleme in Richtung einer etwaigen Nachteilswirkung anderer Eigentümer vermeiden helfen. Auch die Problematik zwischen § 16 Abs. 3 ...

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