Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Gestattung baulicher Veränderungen durch Mehrheitsbeschluss

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen UR II 1256/88)

LG München I (Aktenzeichen 1 T 2319/89)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 15. September 1989 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Eigentümer der Wohnung Nr. 1 ist das Sondernutzungsrecht an einer Grundstücksfläche vor seiner Erdgeschoßwohnung eingeräumt.

§ 1 Abs. 4 der Gemeinschaftsordnung (GO) lautet wie folgt:

Änderungen an der äußeren Gestalt und der Farbe des Gebäudes (einschließlich der Balkone) bedürfen eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer. Bauliche Veränderungen innerhalb der Sondereigentumseinheiten … bedürfen … der Zustimmung des Verwalters. …

Am 2.3.1988 beschlossen die Wohnungseigentümer (Tagesordnungspunkt 6), dem Eigentümer der Wohnung Nr. 1 die Errichtung eines Wintergartens auf der Westterrasse zu genehmigen.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, diesen Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat am 16.1.1989 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde am 15.9.1989 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Da der Antragstellerin durch die Errichtung des Wintergartens jedenfalls keine schwerwiegenden Nachteile entstünden, hätten die Wohnungseigentümer die Errichtung gemäß § 1 Abs. 4 GO mit Mehrheitsbeschluß genehmigen können. Der angefochtene Eigentümerbeschluß sei dahin auszulegen, daß der Wintergarten ohne Heizungs- und Wasseranschluß genehmigt sei. Die Antragsgegner hätten vor, den Verteilungsschlüssel für die Bewirtschaftungs- und Heizkosten zu ändern; dies habe nicht bereits mit dem angefochtenen Beschluß geschehen müssen. Auch eine Regelung über die Kostentragungspflicht bei einer etwaigen Beschädigung des Anbaus sei nicht zwingend erforderlich gewesen, weil der Anbau wohl kein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes und damit des Gemeinschaftseigentums werde. § 1 Abs. 4 GO betreffe eindeutig bauliche Veränderungen und nicht nur den Farbanstrich. Die mit der Errichtung des Wintergartens verbundene ästhetische Beeinträchtigung und die Verstärkung der Regengeräusche reichten hier nicht aus, den Mehrheitsbeschluß zu Fall zu bringen. Eine unzumutbare ästhetische Beeinträchtigung und Verstärkung der Regengeräusche seien im übrigen ohnehin nicht zu erwarten. Die Genehmigung des Wintergartens erscheine insbesondere auch deshalb sachgerecht, weil dadurch der Geruchsbelästigung des Eigentümers der Wohnung Nr. 1 durch die an seine Terrasse angrenzende Mülltonnenanlage der Gemeinschaft begegnet werde.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Errichtung des Wintergartens durch den Eigentümer der Wohnung Nr. 1 stellt eine auf Dauer angelegte Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, die weder der erstmaligen Herstellung eines nach den Plänen oder der Baubeschreibung vorgesehenen oder sonst ordnungsmäßigen Zustands dient, noch eine notwendige Maßnahme der ordnungsmäßigen Instandhaltung oder Instandsetzung ist. Damit liegt eine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG vor (BayObLG NJW-RR 1986, 954/955; OLG Hamm OLGZ 1982, 260/261), die grundsätzlich nicht von einzelnen Wohnungseigentümern verlangt und auch nicht durch Mehrheitsbeschluß herbeigeführt werden kann; erforderlich ist vielmehr die Mitwirkung aller Wohnungseigentümer. Jedoch müssen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG diejenigen Wohnungseigentümer nicht mitwirken, deren Rechte durch die Veränderung nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Unter einem Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen; hierunter fällt auch eine nachteilige Veränderung des ästhetischen Gesamteindrucks der Anlage (BayObLGZ 1973, 196/202; 1982, 69/75; BayObLG DWE 1984, 27; ZMR 1987, 30).

Danach wäre die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und folglich auch der Antragsteller in zur Errichtung des Wintergartens erforderlich. Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Landgerichts ist mit der Errichtung des geplanten Wintergartens eine ästhetische Beeinträchtigung verbunden; das Landgericht ist allerdings der Auffassung, der Antragstellerin sei es zuzumuten, diese hinzunehmen.

b) Die nach der gesetzlichen Regelung des § 22 WEG grundsätzlich erforderliche Mitwirkung der Antragstellerin ist jedoch durch § 1 Abs. 4 GO abbedungen. Das Landgericht hat diese Bestimmung zutreffend dahin ausgelegt, daß nach ih...

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