Vollstreckung trotz Freistellung

Der Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nach der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellt. Von dieser Möglichkeit kann der Arbeitgeber nur dann Gebrauch machen, wenn er dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt hat oder aber besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen (LAG Berlin v. 13.10.2003 – 6 Ta 1968/03).

… trotz weiterer Kündigung

Unberücksichtigt bleibt im Zwangsvollstreckungsverfahren auch der Einwand, dem Arbeitnehmer sei erneut – diesmal aus anderen Gründen – gekündigt worden (LAG München BB 1994, 1083 = LAGE § 888 ZPO Nr. 34). Diesen Einwand hat der Arbeitgeber mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen (LAG Baden-Württemberg, 20.1.20167 – 19 Sa 63/15; LAG Baden-Württemberg, 18.8.2015 – 4 Sa 19/15; ausführlich zur Vollstreckungsgegenklage Goebel, Anwaltformulare Zwangsvollstreckung, 5. Aufl. 2016, § 14).

… trotz Berufung

Hat der Arbeitgeber gegen die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung Berufung eingelegt und stützt er diese auf eine erneute Kündigung (Folgekündigung), so kann und muss er im Berufungsrechtszug die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil in entsprechender Anwendung von § 769 ZPO verlangen. Hierzu bedarf es keiner gesonderten Vollstreckungsgegenklage, die mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig wäre (LAG Köln, 26.5.2010 – 5 Ta 152/10). Auch ist nicht erforderlich, dass überwiegende Erfolgsaussichten für die erhobenen nachträglichen Einwendungen bestehen. Letztlich bedarf es keiner Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils i.S.v. § 62 Abs. 1 ArbGG (LAG Sachsen-Anhalt, 25.9.2002 – AuA 2003, 49).

… trotz Beschäftigungsablehnung durch Dritte

Soweit dritte Personen die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ablehnen, etwa ein wichtiger oder gar der einzige Auftraggeber des Arbeitgebers oder Arbeitskollegen des Arbeitnehmers, begründet dies die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung nur dann, wenn der Arbeitgeber zuvor alles in seiner Macht stehende unternommen hat, um diese dritten Personen von ihrer ablehnenden Haltung abzubringen (LAG Düsseldorf, 7.7.1992, LAGE § 888 ZPO Nr. 25).

… trotz Arbeitgeberwechsel

Macht der Arbeitgeber erstmals im Verfahren über den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach seiner Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Arbeitgebers geltend, dass er gar nicht der Arbeitgeber sei, vielmehr der Arbeitnehmer zwar ursprünglich bei ihm eingestellt worden sei, dann aber von einem ausgegliederten und selbstständig fortgesetzten Unternehmen übernommen worden sei, begründet dies die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung nach einer Entscheidung des LAG Köln (DB 2006, 730) jedenfalls dann nicht, wenn die Personalabteilung des verurteilten Arbeitgebers auch den Personaleinsatz des behaupteten tatsächlichen Arbeitgebers steuert. In diesem Fall sei nämlich der Arbeitsplatz nicht entfallen, sondern existiere bei dem ausgegliederten Unternehmen. Bestehe dann eine Identität der Gesellschafter und des Geschäftsführers, seien rechtliche Verbindungen der beiden Unternehmen feststellbar und habe der verurteilte Arbeitgeber die Personalleitung für beide Unternehmen, liege letztlich ein faktischer gemeinsamer Betrieb vor. Aufgrund dessen sei dann die Weiterbeschäftigung gerade nicht möglich. Das LAG macht damit deutlich, dass es formal-juristische Konstruktionen ebenso wenig hinnimmt wie taktisches Vortragen im Prozess.

 

Hinweis

Die Entscheidung kann dem Bevollmächtigten des Arbeitnehmers bei der Argumentation um einen Einstellungsantrag helfen, wenn in 1. Instanz ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung tituliert wurde. Der Arbeitgeber muss sich insoweit zurechnen lassen, dass er dort nicht geltend gemacht hat, dass der Arbeitnehmer bei einem selbstständigen ausgegliederten Unternehmen tätig ist. Im Ergebnis überzeugt aber die Entscheidung nicht. Ist unstreitig, dass jedenfalls objektiv der falsche Arbeitgeber in Anspruch genommen wurde, wird das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung aufzuheben sein. Eine neue Klage gegen den richtigen Arbeitgeber dürfte verfristet sein, wenn der Arbeitgeber nicht die formale Ausgliederung und die Übergabe des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer arglistig verschwiegen hat. Vor diesem Hintergrund ist eine Vollstreckung eines offensichtlich falschen Urteils nicht sachgerecht.

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