Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung eines mit Berufung angefochtenen Weiterbeschäftigungstitels bei Folgekündigung vor Ablauf der Berufungsfrist. Unbegründeter Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zum nicht zu ersetzenden Nachteil

 

Leitsatz (amtlich)

Macht der Arbeitgeber geltend, dass der erstinstanzlich ausgeurteilte Weiterbeschäftigungsanspruch durch eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausgesprochene neue Kündigung entfallen ist, so kann dies im Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG jedenfalls dann nicht in analoger Anwendung von § 769 ZPO vom Berufungsgericht berücksichtigt werden, wenn die Einwendung noch vor Einlegung der Berufung und vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Berufung entstanden ist. Der Arbeitgeber hat in diesen Fällen die Wahl, ob er auf die Berufungseinlegung gegen den Weiterbeschäftigungsanspruch verzichtet und die Einwendung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage mit der Möglichkeit eines Schutzantrags nach § 769 ZPO geltend machen will oder ob er die Berufung auch auf den Weiterbeschäftigungsantrag erstreckt. Im letzteren Fall bedarf es gem. § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aber eines nicht zu ersetzenden Nachteils.

 

Normenkette

ZPO § 707 Abs. 1, § 719 Abs. 1, §§ 767, 769 Abs. 1; ArbGG § 62 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 08.05.2015; Aktenzeichen 26 Ca 1842/14)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten Ziffer 2 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Ziffer 2 des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Ludwigsburg vom 08.05.2015 (26 Ca 1842/14) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A

Die Beklagte Ziffer 2 begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem mit der Berufung angegriffenen Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg.

Das Arbeitsgericht hat im angegriffenen Urteil vom 08.05.2015, welches der Beklagten Ziffer 2 am 12.06.2015 zugestellt wurde, festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten Ziffer 2 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Die Beklagte Ziffer 2 habe ihre Arbeitgeberstellung nicht zum 01.04.2011 wegen eines Betriebsübergangs an die Beklagte Ziffer 1 verloren. Die zwischen der Beklagten Ziffer 1 und der Beklagten Ziffer 2 geschlossene "Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgung über Betriebsführung" stelle sich als eine sog. "echte Betriebsführungsvereinbarung" dar, welche keinen Betriebsübergang zur Folge haben könne. Die Beklagte Ziffer 2 habe vielmehr ihre Betriebsinhaberschaft behalten. Die Beklagte Ziffer 1 sei lediglich der "verlängerte Arm" der Beklagten Ziffer 2 gewesen. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten Ziffer 2 als Betriebsinhaberin weiterbestehe, wurde die Beklagte Ziffer 2 auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt.

Nach Verkündung des angegriffenen Urteils kündigte die Beklagte Ziffer 2 vorsorglich ein möglicherweise mit dem Kläger bestehendes Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.05.2015, dem Kläger zugegangen am 30.05.2015, außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2015.

Mit der am 10.07.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung beantragt die Beklagte Ziffer 2 zugleich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.

Die Beklagte Ziffer 2 meint, die Einstellung der Zwangsvollstreckung müsse allein schon wegen der Nachfolgekündigung vom 27.05.2015 erfolgen. Hierbei handele es sich um einen nachträglich eingetretenen tatsächlichen Umstand, der über eine entsprechende Anwendung von § 769 ZPO auch im Rahmen des § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG berücksichtigt werden müsse, ohne dass es eines nicht zu ersetzenden Nachteils als Einstellungsvoraussetzung bedürfte. Diese Kündigung sei wegen des vorliegenden atypischen Sachverhalts weder als außerordentliche, noch als ordentliche Kündigung offensichtlich unwirksam.

Außerdem meint die Beklagte Ziffer 2, dass ihr eine Zwangsvollstreckung der titulierten Beschäftigungspflicht einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Eine Beschäftigung des Klägers sei ihr nämlich unmöglich, da sie keinen Betrieb mehr vorhalte, sondern vielmehr vertraglich gebunden sei, den Werkunternehmen/Folgegesellschaften Räume und Maschinen zur Verfügung zu stellen. Mangels eigener betrieblicher Strukturen sei sie auch nicht in der Lage, technisch erfahrene Aufsichtspersonen zur Verfügung zu stellen und sei deshalb im Falle einer Beschäftigungspflicht der Gefahr behördlicher Sanktionen ausgesetzt.

Im Übrigen seien beim Tatbestandsmerkmal des "nicht zu ersetzenden Nachteils" auch die Erfolgsaussichten der Berufung mit zu berücksichtigen. Das Urteil des Arbeitsgerichts sei jedoch fehlerhaft. Es habe nicht beachtet, dass der Kläger trotz ordnungsgemäßer Unterrichtung über den Betriebsübergang innerhalb der Monatsfrist dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte Ziffer 1 nicht wide...

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