BGH widerspricht AG und LG

Der Antrag auf Erlass des PfÜb kann nach Ansicht des BGH weder mit der Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden, noch mit dem Hinweis auf eine fehlerhafte Verrechnung der erfolgten Zahlung zurückgewiesen werden.

Grundsatz: Formularzwang

Der Antrag des Gläubigers entspricht den formellen Vorgaben des § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 2, § 5 ZVFV. Soweit nach § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Das hat der BGH mehrfach ausgesprochen. Mit der ZVFV liegen solche Formulare grundsätzlich vor.

Aber es gibt erhebliche Ausnahmen

Soweit für den beabsichtigten Antrag jedoch keine zweckmäßige Eintragungsmöglichkeit in dem Formular besteht, kann ein geeignetes Freifeld oder eine Anlage genutzt werden, § 3 Abs. 3 Satz 1 ZVFV. Der Gläubiger ist darüber hinaus vom Formularzwang entbunden, soweit das Formular unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist. In diesen seinen Fall nicht zutreffend erfassenden Bereichen ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular Streichungen, Berichtigungen oder Ergänzungen vornimmt oder das Formular insoweit nicht nutzt, sondern auf beigefügte Anlagen verweist (vgl. BGH FoVo 2014, 46).

Hier liegt eine Ausnahme vor

Der BGH stellt über den konkreten Fall hinaus dann fest, dass das nach Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV vorgegebene Formular auf Seite 3 keine umfassenden Eintragungsmöglichkeiten bietet, mehrere Kostenforderungen nebst Zinsen mit gleicher Zinshöhe, aber unterschiedlichen Zinsläufen einzutragen, weshalb es der Verwendung einer zusätzlichen Anlage bedurfte. Das konnte auch nicht durch die Eintragung ausgerechneter Zinsen geheilt werden, weil es auch insoweit an einer Eintragungsmöglichkeit fehlt.

 

Hinweis

In den Zeilen 9 und 10 können jeweils nur Beträge gegebenenfalls "nebst" Zinsen eingesetzt werden. Würde der Gläubiger in Spalte 1 der 8. Zeile die Gesamtforderung, darunter in Spalte 1 der 9. Zeile die ausgerechneten Zinsen und daneben in Spalte 2 der 9. Zeile die fortlaufenden Zinsen eintragen, wäre dies aus Sicht eines verständigen Nutzers – wie der BGH meint – dahin zu verstehen, dass neben der in Zeile 8 eingetragenen Kostenforderung wegen einer weiteren in Spalte 1 der 9. Zeile aufgeführten Kostenforderung und wegen auf diese entfallender Zinsen vollstreckt werden soll.

Unterschiedliche Konstellationen sehen

Anders hatte der BGH bereits den Fall entschieden, dass zwar aus mehreren Vollstreckungstiteln die Zwangsvollstreckung betrieben wird, aber dort nicht nur die Zinshöhe, sondern auch der Zinsbeginn gleichlautend war (BGH FoVo 2016, 77).

Eine fehlende Eintragungsmöglichkeit begründet Anlage

Der BGH sieht den Gläubiger auch nicht verpflichtet, "einzutragen was geht" und nur im Übrigen auf eine Anlage zu verweisen. Mit dem Formularzwang wird insbesondere eine Entlastung der Vollstreckungsgerichte bezweckt. Durch die Vereinheitlichung der Antragsformulare soll die Effizienz bei der Bearbeitung der Anträge bei Gericht gesteigert werden. Diesem Zweck liefe es zuwider, würde der Gläubiger die zu vollstreckenden Forderungen teilweise in die Forderungsaufstellung auf Seite 3 des vorgegebenen Formulars und teilweise in eine als Anlage beigefügte Forderungsaufstellung eintragen. Mit einer solchen Vorgehensweise wäre nicht nur ein Mehraufwand für den Gläubiger, sondern auch für das den Antrag bearbeitende Vollstreckungsgericht verbunden. Die einheitliche Darstellung der zu vollstreckenden Forderungen in einer Forderungsaufstellung dient der Übersichtlichkeit und vermeidet, dass der zuständige Rechtspfleger bei der Antragsbearbeitung zwischen zwei Forderungsaufstellungen "hin- und herwechseln" muss (vgl. LG Neubrandenburg JurBüro 2015, 101, 102).

Das sagt das Formular sogar selbst

Zudem enthält das Formular in Zeile 13 der Forderungsaufstellung den Hinweis, dass die Beifügung von Anlagen zulässig ist, "wenn in dieser Aufstellung die erforderlichen Angaben nicht oder nicht vollständig eingetragen werden können". Diese von § 3 Abs. 3 ZVFV und von dem entsprechenden Eingangshinweis auf Seite 1 des Formulars abweichende Formulierung findet sich auch in der Begründung zu der Verordnung zur Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 16.6.2014 (vgl. BR-Drucks 137/14 [neu], S. 29, 31).

Keine Prüfung der Zinsverrechnung!

Einen ganz wesentlichen, viele Monierungen erledigenden Hinweis gibt der BGH, indem er feststellt, dass der Rechtspfleger nicht berechtigt ist, die Verrechnung des Gläubigers im Rahmen eines Antrages auf Erlass eines PfÜB zu prüfen. Materiell-rechtliche Fragen sind einer Prüfung durch das Vollstreckungsgericht im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich entzogen (vgl. BGH FoVo 2011, 230 für die Berücksichtigung eines Schuldenbereinigungsplans) Ob den Bestimmungen der §§ 366, 367 BGB gemäß verrechnet und insoweit Erfüllung der Forderungen des Gläubigers gemäß § 362 Abs. 1 BGB eingetreten ist, ist eine materiell-...

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