Die rechtlichen Voraussetzungen

Eine Rechtshandlung ist nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat und sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist. Weiter ist erforderlich, dass der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht nach § 130 Abs. 2 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

 

Hinweis

Für den konkreten Fall ist unerheblich, ob das Anfechtungsrecht zum Zeitpunkt der Rechtshandlung (2001) oder das Anfechtungsrecht zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung (2022) gilt. Die Norm ist – soweit hier von Relevanz – seit dem Inkrafttreten 1999 unverändert geblieben.

Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.

Hier ganz speziell: die Rückwirkung von Insolvenzanträgen

Sind – wie hier – mehrere Eröffnungsanträge gestellt worden, so ist der erste zulässige und begründete Antrag für die Berechnung der Fristen nach den §§ 130 bis 136 ZPO maßgeblich, auch wenn das Verfahren aufgrund eines späteren Antrags eröffnet worden ist. Ein rechtskräftig abgewiesener Antrag wird nur berücksichtigt, wenn er mangels Masse abgewiesen worden ist. Das ergibt sich aus § 139 Abs. 2 InsO.

Zwischenfazit: Der Anfechtungsgrund liegt objektiv vor

Nimmt man diese Rechtsgrundlagen zusammen, so spricht der erste Blick dafür, dass die Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sind. Ausgehend von dem ersten Eröffnungsantrag im März 2000 ist die Zahlung – eine (Teil-)Befriedigung des Gläubigers – im Jahr 2001 und damit nach dem Eröffnungsantrag erfolgt. Dass dieses Insolvenzverfahren nicht eröffnet wurde, sondern im Mai 2000 mangels Masse abgewiesen wurde, bleibt nach § 139 Abs. 2 InsO unerheblich.

Aber: Die Anfechtungsvoraussetzungen sind damit nicht erfüllt

So schnell muss der Gläubiger allerdings nicht aufgeben. Vielmehr sind auch die weiteren Voraussetzungen der Anfechtung zu prüfen:

 

Checkliste: Prüfen Sie alle Anfechtungsvoraussetzungen!

Im Ergebnis sind alle Anfechtungsvoraussetzungen zu prüfen:

Rechtshandlung des Schuldners nach dem Eröffnungsantrag,
objektive Gläubigerbenachteiligung,
Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder dem vorherigen Eröffnungsantrag,
Der Anfechtungsanspruch muss noch durchsetzbar sein, darf also nicht verjährt sein.
Kein Entfallen des Insolvenzgrundes zwischen dem Erst- und dem Folgeantrag.

Die Voraussetzungen sind dann im Einzelnen zu prüfen. Häufig erwähnen nämlich die Insolvenzverwalter nur die Aspekte, bei denen sie davon ausgehen, sie einfach begründen zu können.

Rechtshandlung des Schuldners

In rund einem Drittel aller Fälle zahlen gar nicht die Schuldner auf die Forderung, sondern ein Dritter. In diesem Fall ist zumindest fraglich, ob eine Rechtshandlung des Schuldners vorliegt. Prüfen Sie also, ob der Schuldner oder ein Dritter geleistet hat. Hat der Schuldner geleistet, liegt eine Rechtshandlung vor. Anderenfalls – auch wenn wegen des langen Zeitraums nicht mehr feststellbar ist, wer gezahlt hat – kann die Rechtshandlung des Schuldners bestritten werden und es ist weiter zu prüfen.

 

Hinweis

Im konkreten Fall kann nur für die verrechnete Gutschrift der Betriebskostenabrechnung eine Rechtshandlung positiv festgestellt werden. Hier liegt die Rechtshandlung im Unterlassen der Geltendmachung der Gutschrift. Selbst wenn Zahlungen an einen Gerichtsvollzieher geleistet wurden und dieser dann an den Gläubiger ausgezahlt hat, muss festgestellt werden, wer an den Gerichtsvollzieher gezahlt hat.

Prüfen bei Zahlungen Dritter oder nicht mehr aufzuklärendem Sachverhalt

Dass der Schuldner nicht selbst gezahlt hat, besagt allerdings noch nicht, dass keine Rechtshandlung des Schuldners vorliegt. Liegt die Zahlung des Dritten vor, ist vielmehr weiter zu prüfen, ob ein sogenannter Anweisungsfall vorliegt, d.h. der Dritte auf Anweisung des Schuldners gezahlt hat und der Schuldner gegen den Dritten auch einen auf die Zahlung gerichteten Rechtsanspruch hatte.

 

Beispiel

Will etwa der Dritte dem Schuldner nur helfen und schenkt ihm den Zahlungsbetrag, so liegt keine Rechtshandlung des Schuldners vor. Gleiches kann gelten, wenn ein Gesellschafter und/oder Geschäftsführer die Leistung aus eigenem Vermögen erbringt, ohne dass hierzu eine rechtliche Verpflichtung bestand.

Darlegungs- und Beweislast liegt beim Insolvenzverwalter

Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es dem Insolvenzverwalter obliegt, die ihm günstigen Tatsachen und damit alle Voraussetzungen des Anfechtungsanspruchs darzulegen und zu beweisen. Hat also ein Dritter die Leistung erbracht, so genügt es dem Gläubiger, zunächst eine Rechtshandlung des Schuldners zu bestreiten.

Die objektive Gläubigerbenachteiligung

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