Tatsächlich Dokumentenpauschale statt Beglaubigungsgebühr

Der Ansatz der "Beglaubigungsgebühr" erfolgte zu Unrecht. Das Gericht geht davon aus, dass in Anwendung von Nr. 10a DB-GvKostG keine Beglaubigungsgebühr i.S.d. KV 102 GvKostG in Ansatz gebracht wurde (vgl. Toussaint/Uhl, GvKostG, KV 102 Rn 1–8; Kawell, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, KV GvKostG Nr. 100–102 Rn 19), sondern – so auch die weitere Begründung der Erinnerung – "nur" die Dokumentenpauschale nach KV 700 GvKostG.

Der somit nur nach GV 700 Nr. 1 lit. b GvKostG in Betracht kommende Kostenansatz erfolgte zu Unrecht. In Ansatz zubringen ist die Auslage nur

Zitat

"für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten: 1. Kopien und Ausdrucke, a) die auf Antrag angefertigt oder per Telefax übermittelt werden, b) die angefertigt werden, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen …"

Kein Unterlassen der Übersendung von Mehrausfertigungen

Der Gläubiger hat keinen Antrag auf Ausdruck oder Fertigen von Kopien gestellt und er hat die Dokumente auch nicht per Telefax übermittelt. Er hat es aber auch nicht i.S.d. lit. b) unterlassen "die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen". Denn hierzu war er gem. § 193 Abs. 1 ZPO weder verpflichtet noch ist dies im Rahmen einer frei wählbaren Übermittlung elektronischer Dokumente praktisch erforderlich. Nur im Fall des § 193 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind die erforderlichen Abschriften einzureichen und kann der Gerichtsvollzieher fehlende Abschriften herstellen.

Elektronische Übermittlung führt zur amtsseitigen Fertigung von Abschriften

Aufgrund der vorrangigen Regelung des § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3 ZPO handelt es sich im Falle einer elektronischen Übermittlung bei der Fertigung der beglaubigten Ausdrucke um amtswegig zu erstellende Dokumente, für die nach richtiger Auffassung keine Kosten erhoben werden dürfen (so ausf. OLG Hamm v. 22.8.2023 – 25 W 192/23; LG Osnabrück v. 20.6.2023 – 3 T 240/23).

Das Gericht schließt sich der Argumentation des OLG Hamm an. Zutreffend verweist der Senat auf die Parallele zur Gesetzesbegründung zu § 133 ZPO i.V.m. KV 9000 GKG und dem expliziten Wunsch in der Beschlussempfehlung des Ausschusses zur (u.a.) Einfügung des § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO, nämlich dem weiteren Ausbau des elektronischen justiziellen Rechtsverkehrs (BT-Drucks 19/31119, S. 4). Richtig wird daraus der Schluss gezogen, dass die Alternativen in § 193 Abs. 1 S. 1 ZPO dem Gläubiger zur Auswahl stehen, er mithin nicht verpflichtet ist, etwa selbst beglaubigte Abschriften in Papierform einzureichen, um Kosten zu sparen. Dabei wird zutreffend auch darauf hingewiesen, dass die erwünschte Beschleunigung – ein funktionsfähiges EGVP unterstellt – sich gerade durch die eröffnete Möglichkeit der elektronischen Übermittlung einstellt. Zutreffend ist daher auch der Umkehrschluss zu § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO, wonach eben nur in diesem Fall Abschriften zu übermitteln sind (so auch LG Osnabrück a.a.O.).

Elektronischer Rechtsverkehr kennt keine Mehrausfertigungen

Damit fehlt es an dem in Nr. 700 KV GvKostG normierten Tatbestandsmerkmal des Unterlassens der Beifügung von Mehrausfertigungen. Eine solche Beifügung von Mehrausfertigungen sieht der elektronische Rechtsverkehr nicht vor. Selbst wenn – was technisch möglich ist – dies erfolgen würde, wäre es praktisch unsinnig, weil entweder das einzige elektronisch übermittelte Dokument mehrmals ausgedruckt oder eben elektronisch übermittelte Mehrfertigungen jeweils einzeln ausgedruckt würden. Es stellt kein Unterlassen dar, wenn der Gläubiger von zwei ihm durch das Gesetz gebotenen Möglichkeiten die wählt, bei der Abschriften von Amts wegen herzustellen und zu beglaubigen sind, weil der Gläubiger sie nicht übermitteln muss und sinnvollerweise auch nicht kann.

Dem elektronischen Rechtsverkehr ist Vorrang einzuräumen

Lediglich zu Wertungszwecken kann noch das Argument der Verpflichtung nach § 130d ZPO herangezogen werden, welche es folgerichtig erscheinen lässt, dass sogar bevorzugt – soweit wie möglich – der elektronische Rechtsverkehr genutzt wird.

Das Gericht sieht ein, dass hierdurch für die GV nicht unerhebliche Sachaufwendungen entstehen. Es ist jedoch Sache des Gesetzgebers, durch entsprechende Kostenregelungen (etwa für den Fall, dass eine elektronische Zustellung nicht möglich, nicht tunlich ist oder sogar explizit eine konventionelle Zustellung beantragt wurde) Abhilfe zu schaffen, falls dies politisch gewollt sein sollte. Da aufgrund der Regelung des § 9 GvKostG Kostentatbestände grundsätzlich eng auszulegen und regelmäßig jedenfalls nicht analogiefähig sind, scheidet nach Auffassung des Gerichts ein entsprechender Ansatz bei einem Erfordernis konventioneller Zustellung von elektronisch übermittelten Dokumenten aus.

Der Gläubiger hat alles richtig elektronisch übermittelt

Damit kommt es allein darauf an, ob der Gläubiger, ggf. antragsgemäß vermittelt durch die Geschäftsstelle, elektronisch übermittelt hat. Ausw...

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