Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesonderte Feststellung von Einkünften: Simultaninsolvenz von Kommanditgesellschaft und sämtlichen Gesellschaftern - Kein Ausscheiden der Gesellschafter

 

Leitsatz (amtlich)

Werden über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft und über die Vermögen sämtlicher Gesellschafter zeitgleich Insolvenzverfahren eröffnet, findet eine Bestimmung in einem Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft, nach der ein Gesellschafter, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, aus der Gesellschaft ausscheidet, keine Anwendung.

 

Normenkette

HGB § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2; AO § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob in den Streitjahren (2011 und 2012) ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist, wenn bereits im Vorjahr über das Vermögen einer KG und sämtlicher Gesellschafter zu demselben Zeitpunkt Insolvenzverfahren eröffnet wurden.

An der Beigeladenen, einer GmbH & Co. KG, waren als einzige Komplementärin die G Verwaltungs GmbH (GmbH) ohne Kapitalanteil sowie als einziger Kommanditist Herr M. A. (A) mit einer Einlage von 15.000 € beteiligt. Unternehmensgegenstand der Beigeladenen war u.a. die An- und Vermietung von Räumlichkeiten, Gerätschaften, Pkws und Arztpraxen.

§ 7 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrags der Beigeladenen bestimmte:

Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt, so scheidet der Gesellschafter mit Wirkung auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. dessen Ablehnung aus der Gesellschaft aus.

Kündigt ein Privatgläubiger eines Gesellschafters das Gesellschaftsverhältnis gemäß § 135 HGB, so scheidet der betroffene Gesellschafter mit Wirksamwerden der Kündigung ebenfalls aus der Gesellschaft aus.

Die Gesellschaft wird mit den verbliebenen Gesellschaftern unter der bisherigen Firma fortgeführt.

Im Falle des Ausscheidens ist ein Entgelt zu zahlen, dessen Höhe und Zahlungsweise sich nach § 9 dieser Satzung richtet.

Mit Schreiben vom 31. August 2010 widerrief die Beigeladene die für eine Steuerberatungsgesellschaft bestellte Empfangsbevollmächtigung. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 1. Dezember 2010 wurde an diesem Tag um 9:00 Uhr das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beigeladenen eröffnet. Ebenfalls am 1. Dezember 2010, 9:00 Uhr, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH sowie des A eröffnet. Der Kläger wurde sowohl für die Beigeladene als auch für die GmbH und A als Insolvenzverwalter bestellt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 1. Dezember 2010 - 21 IN …5/10, 21 IN …6/10, 21 IN …7/10. Sämtliche Insolvenzverfahren dauern noch an.

Am 28. Dezember 2010 wurde zwischen der Beigeladenen und A - beide vertreten durch den Kläger - eine Vereinbarung geschlossen, nach der das Inventar der beiden von A betriebenen ärztlichen Praxen von A gegen eine Zahlung von monatlich 2.000 € zuzüglich Umsatzsteuer weiterhin genutzt werden konnte. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die "Nutzungsvereinbarung" vom 28. Dezember 2010. A leistete die vereinbarten Zahlungen bis zur am 25. Januar 2012 erfolgten Freigabe seiner selbständigen ärztlichen Tätigkeit aus dem Insolvenzverfahren. Mit Kaufvertrag vom 5. März 2012 wurde das Inventar für einen Kaufpreis von 90.000 € veräußert.

Der Beklagte ging davon aus, dass die Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung und der Veräußerung des Inventars bei der Beigeladenen festzustellen seien. Mit Bescheiden vom 11. Dezember 2014 und vom 25. Februar 2015 stellte der Beklagte für die Beigeladene Einkünfte in Höhe von 21.939,74 € (Streitjahr 2011), wovon 1.250 € auf die GmbH und 20.689,74 € auf A entfielen, sowie 5.396 € (Streitjahr 2012), wovon 3.256,99 € auf die GmbH und 2.139,01 € auf A entfielen, fest.

Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, die im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Beteiligten seien im Feststellungszeitraum nicht mehr Gesellschafter der Beigeladenen gewesen. Vielmehr seien diese im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach dem Gesellschaftsvertrag i.V.m. § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) aus der Beigeladenen ausgeschieden. Die Beigeladene bestünde zwar weiter, jedoch ohne Gesellschafter. Die Gläubiger der Gesellschaft seien andere Gläubiger als die der Gesellschafter. Durch die Mietzahlungen könne die Beigeladene an ihre Gläubiger leisten. Dadurch, dass aber den Gesellschaftern die Einkünfte zugerechnet würden und diese darauf Einkommen- und Körperschaftsteuer zahlen müssten, hätten diese weniger zur Verfügung, um an deren Gläubiger zu zahlen. Die Einkünfte müssten daher der Beigeladenen zugerechnet werden. Es käme zu einer "Null-Festsetzung".

Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Würden gleichzeitig Insolvenzverfahren über die Vermögen der Beigeladenen und sämtlicher Gesellschafter eröffnet, könne eine Vollbeendig...

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