Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweichung im Erbschein bei anderer Auslegung im Testament; Wirksamkeit der Anordnung einer Nacherbschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind gewichtige Gründe erkennbar, die gegen die Richtigkeit eines Erbscheins sprechen, ist das FA und das Finanzgericht berechtigt und verpflichtet, bei Miterben die Erbanteile selbst zu ermitteln; ohne dass es einer Aufhebung des Erbscheins durch das Nachlassgericht oder der Erteilung eines neuen Erbscheins bedarf.

2. Ausführungen zur Auslegung eines Testaments, inwieweit dieses eine Erbschaft oder einer Nacherbschaft anordnet.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 2361 Abs. 1, § 2365; AO 1977 § 88; FGO § 76 Abs. 1, §§ 82, 155; ZPO § 292; ErbStG 1974 § 6 Abs. 2 S. 2

 

Gründe

I.

Streitig ist die wirksame Anordnung einer Vor- bzw. Nacherbschaft wegen der daraus sich ergebenden Steuerklasse (§ 6 Abs. 2 S. 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG)).

Die am 06.11.1991 verstorbene Erblasserin X, geb. Y, hat am 29.09.1976 ein privatschriftliches Testament folgenden Inhalts errichtet (Bl 4/FA-Akte):

„Um dem Vermächtnis meiner Schwiegermutter Z nachzukommen sollen ihre Enkel Herr A …, Fräulein B (Klägerin) und Herr C (Kläger)” folgendes erhalten:

Die Anteile Z, GmbH sowie den Anteil vom Anwesen S und das Haus in T

Das 1/14 von dem Grundstück U ist für D ….

Die Aktien, das Bargeld und das Anwesen Y sollen mein Bruder und sein Sohn KV und Hans Y, …. bekommen …”.

Dieses Testament wurde am 24.04.1984 durch folgenden Zusatz ergänzt (Bl. 3/FA-Akte):

„Nachdem mein Bruder KY gestorben ist möchte ich, daß sein Sohn Hans Y … das Hans V, sowie die Hälfte von den Aktien und Bargeld erhält.

Die andere Hälfte Aktien und Bargeld soll mein Neffe E bekommen ….”

Die zum Zeitpunkt des Erbfalls lebende Mutter der Kläger und Schwägerin der Erblasserin F wurde nicht bedacht.

Auf der Grundlage dieser beiden Testamente ermittelte das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen mit Erbschein vom 06.02.1992 folgende Erbquoten (s. Bl. 71/FA-Akte):

1.

A

2.

B (Klin.)

je

2.871

10.000

3.

C (Kl.)

4.

Hans V

1.018

10.000

5.

E

350

10.000

6.

D

19

10.000

Mit notarieller Urkunde vom 19.03.1992 (Bl. 189/FA-Akte) erfolgte die Erbauseinandersetzung, wobei die Erben offen ließen, ob es sich um eine Erbschaft oder Nacherbschaft handele (s. § 4 der Urkunde, Bl. 199, FA-Akte).

Zusammen mit der Erbschaftsteuererklärung reichten die Kläger im Jahr 1994 die beiden Testamente, datiert vom 20.05.1964 (Bl. 48/FA-Akte) bzw. 28.12.1931 (Bl. 49/FA-Akte) ihrer im Jahre 1967 verstorbenen Großmutter Z (Schwiegermutter der Erblasserin) ein und stellten den Antrag auf Anwendung des § 6 Abs. 2 S. 2 Erbschaftsteuergesetz –ErbStG– hinsichtlich der Anteile an der … GmbH, des Anteils am Anwesen S. da die Erblasserin insoweit nur Vorerbin und sie Nacherben nach ihrer Großmutter seien (s. Bl. 45/FA-Akte).

Auch wenn das die Nacherbfolge anordnende Testament vom 28.12.1931 datiert sei, sprächen alle Umstände dafür, dass dieses Testamentnach dem am 20.05.1964 errichteten Testament abgefasst worden sei.

Daraufhin zog das Finanzamt die Nachlassgerichtsakten der Erbfälle X und Z zu.

Daraus wurde ersichtlich, dass die umstrittene Verfügung von Frau Z, datiert 28.12.1931, vom Amtsgericht … am 11.03.1992 eröffnet worden ist. Nach Anhörung der Beteiligten ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass eine zeitliche Einordnungnach dem Testament vom 20.05.1964 nicht hinreichend sicherfestgestellt werden könne und auch keine konkrete Anordnung einer Nacherbschaft bestehe (s. Bl. 101/FA-Akte).

Das Amtsgericht sah deshalb keine Veranlassung, den Erbschein vom 14.04.1967 nach Z wonach die Erblasserin zu 1/2 Miterbin geworden war (s. Bl. 195), und den vom 06.02.1992 nach X wegen Unrichtigkeit einzuziehen.

Mit nach § 164 (2) Abgabenordnung –AO– geänderten Steuerbescheiden vom 17.11.1995 setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Erbschaftsteuer wie folgt fest (Bl. 127 – Kläger; Bl. 131 – Klägerin/FA-Akte):

2.457/10.000-Anteil

1.868.170,– DM

Freibetrag, § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG

3.000,– DM

=

1.865.100,– DM

Steuerklasse: IV (Kinder der Schwägerin F der Erblasserin)

Steuersatz: 50 % von 1.865.100 DM =932.550,– DM

Den Vorbehalt der Nachprüfung hob es auf (§ 164 Abs. 3 AO). Der Bescheid erging lediglich hinsichtlich des Ansatzes der Anteile an der … GmbH vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO, weil der Wert noch nicht endgültig feststand.

Hinsichtlich der Höhe der Erbquote wich das Finanzamt von dem Erbschein vom 06.02.1992 insoweit ab, als die von den Klägern errechneten Erbquoten zugrunde gelegt wurde, weil wie die Kläger dargestellt hatten – das Amtsgericht … bei der Berechnung der Erbquoten offensichtlich von unrichtigen Wertverhältnissen ausgegangen war.

Das Finanzamt ordnete den gesamten Erwerb in Steuerklasse IV ein, da eine wirksame Nacherbeneinsetzung nach seiner Auffassung nicht vorlag.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, dass eine Besteuerung nach Erbquoten zu falschen Ergebnissen führe, weil die Erblasserin die einze...

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