Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Bekanntgabe des einem Miteigentümer für dessen Wohnung erteilten Einheitswertbescheides

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Finanzamt ist nicht nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG befugt, einer Wohnungseigentümergemeinschaft den Einheitswertbescheid oder zumindest den erforderlichen Inhalt der Einheitswertfestsetzung eines Miteigentümers bekannt zu geben, um den für die Zwangsversteigerung von Wohnungseigentum erforderlichen Nachweis zu ermöglichen, dass der Vollstreckungsbetrag den Verzugsbetrag von 3% des Einheitswerts übersteigt.
  2. Für eine solche Offenbarung besteht auch kein zwingendes öffentliches Interesse, da in der Erschwernis der gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG privilegierten Zwangsversteigerung zugunsten einer Eigentümergemeinschaft kein schwerwiegender Nachteil für das allgemeine Wohl liegt.
  3. Auf den Umstand, dass der Eigentümergemeinschaft die wesentlichen Grundlagen der Einheitswertberechnung ohnehin bekannt sind, kommt es für die gesetzliche Offenbarungsbefugnis nicht an.
 

Normenkette

AO § 30 Abs. 4; WEG § 18 Abs. 2 Nr. 2; GKG § 54 Abs. 1 S. 4; ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3

 

Streitjahr(e)

2006, 2007

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Bekanntgabe eines Einheitswertbescheides, den der Beklagte dem Miteigentümer Hansjürgen J. (Schuldner) für dessen Wohnung erteilt hatte.

Die Klägerin hat gegen den Schuldner eine Hausgeldforderung in Höhe von 1.537,73 EUR nebst Zinsen für die Jahre 2006 und 2007 und verfügt deswegen auch über einen vollstreckbaren Titel. Sie hat wegen dieser Forderung auch eine Zwangssicherungshypothek in das Wohnungsgrundbuch der dem Schuldner gehörenden Wohnung eintragen lassen.

Am 18.09.2007 beantragte sie beim Beklagten, ihr den dem Schuldner für seine Eigentumswohnung erteilten Einheitswertbescheid bekannt zu geben. Hierzu führte sie aus, sie beabsichtige, die Zwangsversteigerung der Wohnung des Schuldners zu betreiben. Für diesen Fall sehe § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ZVG in der vom 01.07.2007 an geltenden Fassung (BGBl. I 2007, 370) vor, dass ihre Ansprüche in die Rangklasse 2 fielen, soweit sie 5% des Verkehrswertes nicht überstiegen. Voraussetzung sei allerdings nach § 10 Abs. 3 ZVG, dass der Verzugsbetrag nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes WEG, 3 vom Hundert des Einheitswerts des Wohnungseigentums, überschritten sei. Da sie für ihren Antrag auf Zwangsversteigerung dessen Voraussetzungen nachweisen müsse, benötige sie den Einheitswertbescheid. Diesen könne sie auch nicht vom Schuldner erhalten, da sie gegen seinen Willen vollstrecke. Die Regelungen in den genannten Vorschriften liefen entgegen dem gesetzgeberischen Willen leer, wenn die Bekanntgabe des Einheitswerts im Hinblick auf das Steuergeheimnis verweigert würde.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Verfügung vom 16.11.2007 ab, da eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 der Abgabenordnung AO, insbesondere aber nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO fehle. Im Rahmen der Abwägung der zivilrechtlichen Interessen der Klägerin mit dem Steuergeheimnis als steuerrechtlicher Konkretisierung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung sei eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses nicht zu rechtfertigen, zumal es nicht der Durchführung eines anderen Besteuerungsverfahrens wie bei einer Konkurrentenklage diene. Vielmehr könne die Klägerin den Schuldner auf Zustimmung zur Offenbarung verklagen und werde mit einem obsiegenden Urteil die Auskunft erhalten.

Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, § 30 AO stehe der beantragten Auskunft nicht entgegen. Lehne das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung ab, könne nach § 54 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes GKG der Einheitswert herangezogen und dem Gericht übermittelt werden. Die sich aus § 54 Abs. 1 GKG ergebende gesetzgeberische Wertung sei mit dem Streitfall zu vergleichen. Eine Offenbarung sei nicht nur möglich, wenn das Gesetz die Offenbarung verlange oder zulasse, sondern wenn sie mit dem Vollzug gesetzlich begründeter Pflichten im Besteuerungsverfahren verbunden sei oder wenn für die Offenbarung ein zwingendes öffentliches Interesse bestehe, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO. Dieses sei schon dann anzunehmen, wenn eine gesetzliche Vorschrift ohne Mitteilung der Finanzämter leer laufen würde. Davon sei hier auszugehen, da sie für den Betrieb der Wohnungseigentumsanlage auf Mittel angewiesen sei, die von den Eigentümern zeitnah eingezahlt würden. Die Notwendigkeit der Verwirklichung der Gemeinschaftsaufgabe rechtfertige es, die Ansprüche der Eigentümergemeinschaft bis zu einem gewissen Grad denen der übrigen Gläubiger vorgehen zu lassen. Dadurch werde es der Eigentümergemeinschaft auch leichter, die im Zweifel immer noch säumigen Schuldner loszuwerden, um auf Dauer größere Verluste zu vermeiden. Um einer Willkür vorzubeugen, gebe es nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG eine Mindestgrenze von 3% des Einheitswerts. Dieses gesetzgeberische Ziel werde verfe...

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