Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienleistungsausgleich 1996

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreit hat die Klägerin zu tragen.

 

Gründe

Die Klägerin hat zwei Töchter. Ihre Tochter A… hatte im Jahr 1996 nach der Düsseldorfer Tabelle einen Barunterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehemann der Klägerin in Höhe von jährlich DM 6.960,00. Tatsächlich zahlte der geschiedene Ehemann in diesem Jahr aber nur Unterhalt in Höhe von DM 2.400,00. Die Klägerin erhielt außerdem Kindergeld für ihre Tochter A… in Höhe von DM 2.400,00 ausgezahlt. Bei Berücksichtigung der Hälfte des an die Klägerin ausgezahlten Kindergeldes als Unterhaltsleistung ihres geschiedenen Ehemannes ergab sich danach eine Erfüllung der Unterhaltspflicht in Höhe von insgesamt DM 3.600,00 und damit von weniger als 75 % des der Tochter der Klägerin zustehenden Barunterhaltsanspruchs. Die Klägerin beantragte daher die Übertragung des ihrem geschiedenen Ehemann zustehenden halben Kinderfreibetrags auf sich.

Der Beklagte entsprach diesem Antrag. Im Rahmen der Günstigerprüfung rechnete er das gesamte an die Klägerin ausgezahlte Kindergeld in Höhe von DM 2.400,00 an und kam so zu dem Ergebnis, daß die Auszahlung des Kindergeldes für die Klägerin günstiger sei als die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß das an sie ausgezahlte Kindergeld im Rahmen der Günstigerprüfung nur zur Hälfte anzurechnen sei, da eine Hälfte als Unterhaltsleistung ihres geschiedenen Ehemannes gelte. Sie meint, daß ihr der volle Kinderfreibetrag zu gewähren sei, die sich danach ergebende tarifliche Einkommensteuer jedoch nur um DM 1.200,00 zu erhöhen sei.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt sinngemäß, die Einkommensteuer 1996 auf DM 5.623,00 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Beklagte hat bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1996 zu Recht das volle an die Klägerin gezahlte Kindergeld zugerechnet.

Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Einkommensteuer das gezahlte Kindergeld in entsprechendem Umfang hinzuzurechnen, wenn das Einkommen in den Fällen des § 31 EStG um den Kinderfreibetrag gemindert wurde.

Nach § 31 EStG wird die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines jeden Kindes entweder durch das Kindergeld oder durch die Gewährung eines Kinderfreibetrages bewirkt. Dabei wird zunächst laufend Kindergeld an den Kindergeldberechtigten gezahlt. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer haben die Finanzämter dann jeweils von Amts wegen zu prüfen, ob die Gewährung von Kindergeld oder die Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages im Einzelfall günstiger ist (sog. Günstigerprüfung). Ist danach bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ein Kinderfreibetrag abzuziehen, wird das gezahlte Kindergeld der festzusetzenden Einkommensteuer hinzugerechnet.

Bei nicht zusammenveranlagten Eltern eines Kindes, von denen nur der eine Barunterhalt leistet, besteht dabei die Besonderheit, daß das gesamte Kindergeld an den nicht barunterhaltspflichtigen Elternteil ausgezahlt wird, es jedoch in Form eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 1615 g BGB – der nicht nur auf Väter nichtehelicher Kinder, sondern analog auch auf andere nicht sorgeberechtigte, also geschiedene oder getrennt lebende, Elternteile anwendbar ist (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27. Januar 1998 2 K 1879/97, EFG 1998, 745 m.w.N.) – dem anderen Elternteil wirtschaftlich insoweit zugute kommt, als es seine Unterhaltspflicht entsprechend mindert. Dies führt dazu, daß in solchen Fällen nicht nur bei dem Elternteil, der das Kindergeld ausgezahlt erhält, sondern auch bei dem Barunterhalt leistenden Elternteil eine Günstigerprüfung vorzunehmen ist, die jeweils auf der Basis eines halben Kinderfreibetrages und des hälftigen gezahlten Kindergeldes stattfinden muß.

Anders ist es jedoch, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht im wesentlichen nachkommt und der andere Elternteil daher die Übertragung des zweiten halben Kinderfreibetrages auf sich erwirkt. Das Gefüge der Vorschriften über die Gewährung eines Kinderfreibetrages oder Kindergeldes unter Einbeziehung der Tatsache, daß zunächst einem Elternteil gewährtes Kindergeld wirtschaftlich auch hälftig dem anderen Elternteil zugute kommen muß, ist auf diesen Fall ersichtlich nicht zugeschnitten. In diesem Fall ist bei der für diesen Elternteil durchzuführenden Günstigerprüfung das gesamte an ihn gezahlte Kindergeld hinzuzurechnen. Der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch ist dann nicht zu berücksichtigen.

Dieses Ergebnis läßt sich bereits dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG entnehmen, wonach das gezahlte Kindergeld der Einkommensteuer in entsprechendem Umfang hinzugerechnet wird, wenn das Einkommen um einen Kinderfreibetrag gemindert wurde. Das bedeutet, daß die Höhe des hinzuzurechnenden Kindergeldes davon abhängt, ob ein voller oder ein halber Kinderfreibetrag gewährt wurde (ebenso Ka...

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