Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitergeleitete Erschließungsbeiträge und Fördergelder als Entgelt für die Erschließung von Grundstücken. Umfang des Vorsteuerabzugs aus Erschließungsmaßnahmen. Umsatzsteuer 1994, 1995, 1996

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhält ein Unternehmen, welches mit einer Gemeinde einen Vertrag über die Erschließung von Grundstücken i.S. des § 124 BauGB geschlossen hat, für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbrachte steuerbare Leistung u.a. einen von der Gemeinde für die Erschließung vereinnahmten Zuschuss und die von den Fremdanliegern an die Gemeinde gezahlten Erschließungsbeiträge, gehören diese Gelder zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage.

2. Die mit der Erschließung zusammenhängenden Vorsteuern können bei einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den durch den Verzicht auf die Steuerbefreiung steuerpflichtigen Umsätzen aus der Veräußerung der erschlossenen Grundstücke auch dann in voller Höhe abgezogen werden, wenn die für die Erschließungsanlage benötigten Flächen der Gemeinde unentgeltlich übereignet werden.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 10 Abs. 1, § 4 Nr. 9a; BauGB § 124

 

Tenor

Unter Änderung der Bescheide vom 02.12.1999, jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2001, wird die Umsatzsteuer 1994 auf ./. 33.610,10 DM / ./. 17.184,57 EUR, die Umsatzsteuer 1995 auf 641.091,41 DM / 327.784,83 EUR und die Umsatzsteuer 1996 auf 205.096,82 DM / 104.864,34 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 52 v.H. und der Beklagte 48 v.H.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Verwaltungsvorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Schon bald nach der Wende plante die Gemeinde L…, die damals dem Amt M… angehörte (heute ist sie ein Ortsteil der Gemeinde M…), ein Gewerbegebiet auszuweisen und zu erschließen. Sie stellte deswegen am 25.09.1990 noch bei der Bezirksverwaltungsbehörde und am 06.11.1990 bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) einen Fördermittelantrag. Am 13.06.1991 fasste die Gemeindevertretung den Beschluss, ein Gewerbegebiet zu erschließen, das mit einer Größe von etwa 80 ha im Flur 3 zwischen der Bundesstraße … und dem N… Weg gelegen war.

Am 28.01.1993 beschloss die Gemeinde L… einen entsprechenden Bebauungsplan und erließ am 27.05.1993 eine Erschließungsbeitragssatzung für den zu erschließenden Bereich. Der Bebauungsplan wurde durch das Amt M… am 13.08.1993 bekannt gemacht und in Kraft gesetzt. Am 14.09.1995 beschloss die Gemeinde L… die Bildung einer Abrechnungseinheit über Erschließungsbeiträge für das vorgesehene Erschließungsgebiet.

Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 02.07.1991 errichtet. Hauptgesellschafterin war zunächst die Gemeinde L…. Diese übertrug ihren Geschäftsanteil am 03.06.1993 an den S…-er Kaufmann Peter A….

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war zunächst „die wirtschaftliche und technische Baubetreuung zur Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung der beabsichtigten … Erschließung des Gewerbegebietes in L… … einschließlich der Finanzierung und die Auftragserteilung zur Vermarktung”. Der Gesellschaftszweck wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10.04.1992 dahingehend geändert, dass Gegenstand des Unternehmens der Klägerin „die gesamte Abwicklung der Durchführung zur Einrichtung eines Gewerbegebietes in L… im Rahmen des Bebauungsplanes zur Errichtung des Gewerbegebietes in einer Größe von ca. 70 ha” sein sollte. Die Gesellschaft war ermächtigt, hierzu im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Grundstücke zu kaufen und zu veräußern.

Mit Vertrag vom 16.05.1992, der am 11.10.1992 geändert und ergänzt wurde, kaufte die Klägerin im Erschließungsgebiet eine Fläche von rund 53,45 ha. Die übrigen Flächen im Erschließungsgebiet standen im Eigentum verschiedener Eigentümer (Fremdeigentümer/Fremdanlieger).

Am 03.06.1993 schloss die Klägerin mit der Gemeinde L… einen Erschließungsvertrag (Urkundenrolle Nr. 500/1993 des Notars Dr. B… in O…). Auf diesen Vertrag, der im Band I., Bl. 95 ff. der Betriebsprüfungsakte – Bp-Akte – des Beklagten abgeheftet ist, wird Bezug genommen. Aufgrund dieses Vertrages übertrug die Gemeinde L… der Klägerin „gemäß § 124 des Baugesetzbuches” als Erschließungsträgerin im „B-Plan-Gebiet der Gemeinde” die Herstellung der Erschließungsanlagen und der Leitungen für Abwasser und Trinkwasser mit Ausnahme der Leitungen für Wasser und Abwasser, die in den Aufgabenbereich des Wasserverbandes P… fielen. Die Gemeinde L… erklärte sich damit einverstanden, dass die Klägerin Koordinierungsverhandlungen über die Durchführung von Leistungen auch mit dem Wasserverband P… führe. Die Erschli...

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