OVG Bremen, Beschl. v. 4.6.2018 – 1 B 53/18

1. Bevor eine ärztliche Untersuchung zur Altersfeststellung nach § 42f SGB VIII durchgeführt wird, hat das Jugendamt den Betroffenen umfassend über die Untersuchungsmethode, die Folgen der Altersbestimmung sowie die Folgen der Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, aufzuklären. Insoweit trägt das Jugendamt die Darlegungs- und Beweislast.

2. Fehlt es an einer umfassenden Aufklärung über die Untersuchungsmethode oder die Folgen der Altersbestimmung, folgt hieraus regelmäßig ein Einwilligungsmangel des Betroffenen.

3. Solange für einen unbegleiteten Minderjährigen kein (Amts-) Vormund bestellt worden ist, kann das Jugendamt in Ausübung des ihm zustehenden Notvertretungsrechts (vgl. § 42a Abs. 3 SGB VIII) als Vertreter des Minderjährigen grundsätzlich in eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung einwilligen. Eine solche Einwilligung ist jedoch nur dann wirksam, wenn innerhalb des Jugendamtes eine organisatorische und personelle Trennung besteht, um eine Interessenkollision zu verhindern.

4. Holt das Jugendamt ein ärztliches Gutachten ein, ohne dass eine wirksame Einwilligung des Betroffenen und seines Vertreters vorliegt, ist das Gutachten im behördlichen Verfahren zur Altersfeststellung nicht verwertbar.

5. Klärt das Jugendamt entgegen § 42f Abs. 2 S. 2 Hs. 1 SGB VIII den Betroffenen nicht schriftlich über die Folgen einer Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, auf, kann es eine Inobhutnahme nicht allein wegen fehlender Mitwirkung nach § 42f Abs. 2 S. 4 SGB VIII i.V.m. § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I verweigern.

OVG Bremen, Beschl. v. 4.6.2018 – 1 B 82/18

1. Bei der forensischen Altersdiagnostik mittels radiologischer Bildgebung handelt es sich um eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung i.S.d. § 42f Abs. 2 SGB VIII, die aufgrund ihrer Zuverlässigkeit in Zweifelsfällen vom Jugendamt regelmäßig in Betracht zu ziehen ist.

2. Die von der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (AGFAD) aufgestellten Empfehlungen für Altersschätzungen bei Lebenden bilden den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auf dem Gebiet der forensischen Altersdiagnostik ab.

3. Ein auf den Empfehlungen der AGFAD basierendes dreistufiges Gutachten zur Altersbestimmung (körperliche Untersuchung, Röntgenaufnahme des Gebisses und der linken Hand sowie ggf. CT-Untersuchung der Schlüsselbeine) erreicht regelmäßig einen höheren Grad an Gewissheit als ein altersdiagnostisches Gutachten, das nur auf einer Röntgenaufnahme des Gebisses basiert.

4. Wendet der jeweilige Gutachter zudem das sog. Mindestalterkonzept an, lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass ein tatsächlich Minderjähriger versehentlich als volljährig eingestuft wird.

OLG Frankfurt, Urt. v. 17.5.2018 – 1 U 171/16

Für Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahres besteht kein Anspruch auf Bereitstellung eines Ganztagsplatzes in einer Tageseinrichtung. Mehrkosten, die Eltern durch die Inanspruchnahme einer privaten Betreuungseinrichtung entstehen, sind nur zu ersetzen, wenn sie unzumutbar sind. (red. LS)

OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2017 – 4 UF 72/17

1. Eine Vergütung kann der berufsmäßig bestellte Umgangspfleger nur für die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben, namentlich die Organisation der Umgänge und die Mitwirkung bei der Herausgabe des Kindes zum Zweck der Durchführung der Umgänge gemäß § 1684 Abs. 3 S. 4 BGB beanspruchen.

2. Für darüber hinaus entwickelte Tätigkeiten zur Begleitung von Umgangskontakten erwirbt der Umgangspfleger einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nicht, auch wenn die Umgangsbegleitung durch den Umgangspfleger familienrichterlich gesondert angeordnet worden ist.

3. Die Finanzierung der Kosten professioneller Umgangsbegleitung kann nach der derzeitigen Gesetzeslage lediglich im Rahmen jugendhilferechtlicher Bewilligung durch das Jugendamt erfolgen.

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