Dr. Mathias Grandel

Nicht selten kann ein Mandant die Kosten eines Beschwerdeverfahrens in Familiensachen nicht selbst stemmen. Vielmehr kann das Beschwerdeverfahren nur durchgeführt werden, wenn Verfahrenskostenhilfe hierfür bewilligt wird. Die Mittellosigkeit eines Beteiligten ist ein unverschuldetes Hindernis an der Einhaltung der Rechtsmittelfristen. Es kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden und sodann Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerde- bzw. Begründungsfrist. Obwohl es sich einfach anhört, ist dieses Verfahren voller Tücken und Haftungsgefahren. Gerade an diesen Fällen zeigt sich, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, eine gespaltene Empfangszuständigkeit in Familiensachen zu schaffen, gelinde gesagt, unglücklich war. Die Auswirkungen der Regelung im FamFG, dass die Beschwerde beim Ausgangsgericht und die Beschwerdebegründung beim OLG einzureichen sind, hat der Gesetzgeber vermutlich nicht in vollem Umfang durchdacht: Es stellt sich nämlich schon als erste Frage, zu welchem Gericht der VKH-Antrag für die beabsichtigte Beschwerde gestellt werden muss, zum Familiengericht oder zum Beschwerdegericht? Die Rechtsprechung war bis zum 31.12.2012 uneinheitlich. Der BGH hatte für die Zeit bis 31.12.2012 nachträglich entschieden, dass der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe beim Oberlandesgericht einzureichen war. Seit 1.1.2013 gilt der eher unbemerkt in das FamFG eingeführte § 64 Abs. 1 S. 2 FamFG. Dort ist nun ausdrücklich geregelt, dass der Verfahrenskostenhilfeantrag beim Familiengericht "einzulegen" ist. Soweit so gut. Nehmen wir an, es wird die VKH bewilligt. Dann muss innerhalb der 14-tägigen Frist ein Wiedereinsetzungsantrag in die versäumte Beschwerdefrist gestellt werden und außerdem die Beschwerdeeinlegung nachgeholt werden. Hier stellt sich nun wieder die Frage, bei welchem Gericht der Antrag auf Wiedereinsetzung einzureichen ist. Für Familienstreitsachen hat der BGH entschieden, dass der Wiedereinsetzungsantrag beim Oberlandesgericht einzureichen sei. Man wäre nun leicht geneigt anzunehmen, dass dann dort auch die Beschwerdeeinlegung nachgeholt werden kann. Jedoch weit gefehlt. Die Beschwerdeeinlegung ist wiederum beim Familiengericht nachzuholen, da die Beschwerde nun einmal beim iudex a quo einzulegen ist.

Sollte zwischenzeitlich auch die Frist zur Beschwerdebegründung abgelaufen sein, dann ist die Beschwerdebegründung wiederum durch Schriftsatz zum Oberlandesgericht nachzuholen. Angesichts dieser unübersichtlichen und fehleranfälligen Rechtslage kann an den Gesetzgeber nur appelliert werden, die Regelung der gespalteten Empfangszuständigkeit im Familienrecht wieder rückgängig zu machen. Man muss der Anwaltschaft nicht ohne Not solche haftungsrechtlichen Tretminen in den Weg legen.

Damit nicht genug: Sollten Sie die Beschwerde bereits unbedingt eingelegt haben und für Ihren Mandanten für die Beschwerdebegründung Verfahrenskostenhilfe beantragen mit dem Ziel, nach deren Bewilligung Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu beantragen, sollten Sie aufpassen, dass Sie sich nicht zu viel Mühe machen. Einerseits hält der BGH eine Begründung des VKH-Antrages für wünschenswert. Schließlich soll ja dargelegt werden, dass das beabsichtigte Beschwerdeverfahren nicht mutwillig ist. Wenn Sie aber dem VKH-Antrag vor Ablauf der Begründungsfrist einen vollständigen Entwurf einer nicht unterzeichneten Beschwerdebegründung beifügen, dann haben Sie aus Sicht des VI. Senats des BGH damit schon zu erkennen gegeben, dass Sie bereit sind, die Beschwerdebegründung auch ohne Verfahrenskostenhilfe zu erstellen, Sie also bereit sind, ggf. kostenlos zu arbeiten. Denn die Arbeit sei ja schon gemacht. Nach Ansicht des VI. Senates fehlt in diesem Fall die Kausalität zwischen Mittellosigkeit und Fristversäumung. Nach Ansicht des IV. Senats des BGH können Sie das Unheil aber noch dadurch abwenden, dass Sie eidesstattlich spätestens im Wiedereinsetzungsantrag versichern, dass Sie ohne Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht bereit sind, die Beschwerdebegründung zu erstellen. Das offenbart schon eine überraschende Vorstellung von der Bereitschaft des Anwalts zu karitativer Tätigkeit. Die Vorlage eines Entwurfs der Beschwerdebegründung – gleichgültig ob er vor oder nach Ablauf der Begründungsfrist vorgelegt wird – bedeutet nichts anderes, als dass der Anwalt gerade nicht bereit ist, die Beschwerdebegründung unter seine Verantwortung zu nehmen und in der Folge Verhandlungstermine wahr- und das Haftungsrisiko für das Verfahren zu übernehmen, ohne dass Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.

Autor: Dr. Mathias Grandel

Dr. Mathias Grandel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Augsburg

FF 3/2015, S. 89

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