I. Überblick

Der Deutsche Bundestag hat am 15.10.2015 das "Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher Vorschriften" verabschiedet, das am 20.11.2015 verkündet wurde.[1] Die das materielle Kindesunterhaltsrecht betreffende Änderung des § 1612a BGB ist zum 1.1.2016 wirksam geworden. Sie betrifft zwei Punkte: Einmal ändert sich der Anknüpfungspunkt, mit dessen Hilfe der Mindestunterhalt für minderjährige Kinder nach § 1612a Abs. 1 BGB bestimmt wird; anstatt an den einkommensteuerrechtlichen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG knüpft das Gesetz nunmehr unmittelbar an das sächliche Existenzminimum nach dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung an (§ 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.). Der zweite Punkt betrifft die rechtstechnische Umsetzung der Anknüpfung. Da ein Gesetz aus normtheoretischen Gründen nicht eine gleitende Verweisung auf einen Text wie den Existenzminimumbericht der Bundesregierung vorsehen kann,[2] bedurfte es zur rechtsförmlichen Umsetzung der Verweisung der Zwischenschaltung einer Verordnungsermächtigung zugunsten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, die in § 1612a Abs. 4 BGB n.F. enthalten ist.

Die entsprechende Rechtsverordnung, die Mindestunterhaltsverordnung, ist am 1.1.2016 in Kraft getreten.[3] Sie legt die Unterhaltsbedarfsbeträge für minderjährige Kinder der ersten, zweiten und dritten Altersstufe der untersten Einkommensgruppe fest. Die Mindestunterhaltsverordnung knüpft unmittelbar an das im Existenzminimumbericht der Bundesregierung ausgewiesene sächliche Existenzminimum des Kindes an; nach dem jüngsten Bericht vom 30.1.2015[4] betrug dieses für das Jahr 2015 4.512 EUR und für das Jahr 2016 4.608 EUR. Dementsprechend beträgt der Unterhaltsbedarf in der zweiten Altersstufe, dem "Basiswert", (4.608 EUR/Jahr./.12 Monate[5] =) 384 EUR (= 100 % des Mindestunterhalts). Die Werte für die erste und die dritte Altersstufe leiten sich aus diesem Basiswert ab und betragen, den Vorgaben von § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB entsprechend, folglich 335 EUR (= 87 % des Mindestunterhalts) bzw. 450 EUR (= 117 % des Mindestunterhalts; jeweils nach Berücksichtigung der Rundungsregelung in § 1612a Abs. 2 BGB).

Künftig lautet § 1612a BGB danach wie folgt:

 
Bisherige Fassung § 1612a BGB Neufassung § 1612a BGB ab 1.1.2016

§ 1612a Mindestunterhalt minderjähriger Kinder

(1) 1Ein minderjähriges Kind kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen. 2Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes. 3Er beträgt monatlich entsprechend dem Alter des Kindes

1. für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs (erste Altersstufe) 87 Prozent,

2. für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs (zweite Altersstufe) 100 Prozent und

3. für die Zeit vom 13. Lebensjahr an (dritte Altersstufe) 117 Prozent

eines Zwölftels des doppelten Kinderfreibetrags.

(2) …

(3) …

§ 1612a Mindestunterhalt minderjähriger Kinder; Verordnungsermächtigung

(1) 1Ein minderjähriges Kind kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen. 2Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des minderjährigen Kindes. 3Er beträgt monatlich entsprechend dem Alter des Kindes

1. für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs (erste Altersstufe) 87 Prozent,

2. für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs (zweite Altersstufe) 100 Prozent und

3. für die Zeit vom 13. Lebensjahr an (dritte Altersstufe) 117 Prozent

des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums des minderjährigen Kindes.

(2) …

(3) …

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat den Mindestunterhalt erstmals zum 1.1.2016 und dann alle zwei Jahre durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festzulegen.

Da der aktuelle Existenzminimumbericht nicht nur das sächliche Existenzminimum von Kindern für das Jahr 2016 festschreibt, sondern für das Jahr 2015 einen eigenen Wert feststellt, hat sich der Verordnungsgeber dazu entschlossen, den Mindestunterhalt für das Jahr 2017 in der Weise festzusetzen, dass der Wert für das Jahr 2016 fortgeschrieben wird. Dazu wird die Differenz zwischen den Existenzminima-Werten für 2015 und 2016 zu dem Wert für das Jahr 2016 hinzuaddiert und das Ergebnis auf den Monatswert heruntergebrochen; der Mindestunterhalt für das Jahr 2017 soll in der zweiten Altersstufe (= 100 % des Mindestunterhalts) demnach 393 EUR betragen und in der ersten bzw. dritten Altersstufe 342 EUR bzw. 460 EUR.

[1] Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und den Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und k...

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