Die Regelungen zur persönlichen Anhörung des Kindes nach § 159 Abs. 1 FamFG sind mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder[1] zum 1.7.2021 verschärft worden. Seitdem sollen sich die Fälle von Zurückverweisungen vom Oberlandesgericht zum Familiengericht nach § 69 Abs. 1 FamFG wegen unzureichender Kindesanhörungen mehren.[2]

Hierzu verhält sich auch die Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 18.2.2022.[3] Das OLG hatte über eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Familiengerichts des AG Homburg vom 3.12.2021 zu entscheiden. Zuvor hatte das Familiengericht von Amts wegen ein Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB im einstweiligen Rechtsschutz eingeleitet. Grund hierfür waren Beobachtungen des in einem früheren Sorgerechtsverfahren bestellten Verfahrensbeistands von sexualisierten Verhaltensweisen eines mittlerweile sechs Jahre alten Mädchens. Das Kind lebte bei seiner vom Kindesvater geschiedenen Mutter und deren neuem Lebensgefährten. Nach einer mündlichen Erörterung, in der weder das Kind noch der Lebensgefährte der Mutter noch weitere Kontaktpersonen aus dem familiären Umfeld angehört wurden, untersagte das Familiengericht der Mutter, Umgang zwischen dem Kind und ihrem Lebensgefährten zu ermöglichen oder zu dulden sowie während des Umgangs mit ihrem Kind in ihrer Wohnung ihrem Lebensgefährten die Nutzung der Wohnung oder ein Aufenthalt dort zu ermöglichen oder diesen zu dulden. Eine Kindesanhörung hatte lediglich im Rahmen eines Umgangsverfahrens einige Monate zuvor stattgefunden, war aber durch einen anderen Familienrichter als den entscheidenden durchgeführt worden. Gegen den Beschluss des Familiengerichts legte die Kindesmutter Beschwerde ein. Das OLG hob den Beschl. v. 3.12.2021 auf und verwies die Sache auf Antrag der Kindesmutter zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurück.

Neben dem hier gestellten Antrag einer/s Verfahrensbeteiligten müssen für eine Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegen und eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung erforderlich sein.

Dabei stellte das OLG zu Recht zwei wesentliche Verfahrensmängel fest, zum einen die letztlich nicht durchgeführte Anhörung des Kindes, zum anderen die fehlende Anhörung des Lebensgefährten der Kindesmutter und weiterer Kontaktpersonen aus dem familiären Umfeld, also die fehlende Vernehmung von Zeug*innen.

Nach § 159 Abs. 1 FamFG n.F. hat das Familiengericht das betroffene Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen. Diese Verpflichtung ist im Gegensatz zum alten Recht, nach dem persönliche Anhörungen ab einem Alter von etwa drei Jahren in der Regel durchzuführen waren,[4] unabhängig vom Alter des Kindes und gilt auch im einstweiligen Anordnungsverfahren.[5] Das Familiengericht hätte in der vorliegenden Konstellation bereits nach dem bis zum 30.6.2021 geltenden Recht das sechs Jahre alte Kind anhören müssen,[6] erst recht nach der neuen, strengeren Gesetzeslage. Gründe, von der Kindesanhörung nach § 159 Abs. 2, 3 FamFG ausnahmsweise abzusehen, vermochte das OLG nicht zu erkennen. Richtigerweise genügt eine Anhörung, die durch eine/n andere/n Richter/in als den/die erkennende/n durchgeführt worden ist, nicht der Verpflichtung des Familiengerichts, die Anhörung selbst durchzuführen. Dies gilt umso mehr, als in der vorliegenden Konstellation die Anhörung in einem Umgangsverfahren durchgeführt worden ist, das einen anderen Verfahrensgegenstand hat als Schutzverfahren nach § 1666 BGB.[7] Andere Gründe, auf eine Anhörung zu verzichten, sind vom Familiengericht entgegen der Verpflichtung in § 159 Abs. 3 S. 1 FamFG nicht aufgeführt worden, insbesondere auch nicht die Feststellung, dass Gefahr in Verzug vorlag.

Die fehlende Anhörung des Lebensgefährten der Kindesmutter und weiterer Kontaktpersonen betrifft den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG. Danach muss das Gericht von sich aus die entscheidungserheblichen Tatsachen ermitteln. Dabei sind in Kindschaftssachen besonders hohe Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung zu stellen. Diese sind zwar in Eilverfahren reduziert, obwohl das Familiengericht auch hier alle in der zur Verfügung stehenden Zeit vorhandenen Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausschöpfen muss.[8] Letztlich muss der Sachverhalt so umfassend ermittelt sein, dass eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung möglich ist.[9] Für das Familiengericht waren der Lebensgefährte der Kindesmutter und der Onkel der Kindesmutter, der regelmäßig in die Betreuung des Kindes eingebunden war, ohne weiteres erreichbar. Ihre Anhörung hätte deshalb nicht unterbleiben dürfen.

Beide Mängel sind als schwerwiegende Verfahrensfehler einzuordnen. Denn nicht nur folgt aus dem das Wächteramt des Staates in Kindschaftssachen die richterliche Pflicht, den Sachverhalt umfassend aufzuklären.[10] Vielmehr dient die Anhörung auch der erforderl...

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