Als Folge des UÄndG vom 21.12.2007[1] ist nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts nicht mehr der Tabellenbetrag des gezahlten Kindesunterhalts vom Einkommen des Pflichtigen abzuziehen, sondern der um das halbe Kindergeld verminderte Zahlbetrag.[2] An dieser Auffassung ist in der Literatur kritisiert worden, sie bewirke eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Barunterhaltspflichtigen gegenüber dem Betreuungselternteil. Denn Letzterer könne über den auf ihn entfallenden Kindergeldanteil frei verfügen, während der Barunterhaltspflichtige ihn ggf. für den Ehegattenunterhalt einsetzen müsse.[3]

Dieser Ansicht hat das BVerfG mit der vorliegenden Entscheidung eine Absage erteilt.

Anders als der BGH, der von einer sachlich gerechtfertigten Ungleichbehandlung ausgeht,[4] verneint das BVerfG schon die Ungleichbehandlung selbst. Denn der betreuende Elternteil könne keineswegs frei über "seinen" Anteil des Kindergeldes verfügen. Vielmehr habe das Kind einen Anspruch darauf, dass er diesen Anteil für den Betreuungsunterhalt einsetze. Mit der Neufassung des § 1612b BGB sei das Kindergeld familienrechtlich bindend dem Einkommen des Kindes zugeordnet, was bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts zu beachten sei.

Die Begründung der Entscheidung beruht im Wesentlichen auf dem – zutreffenden – Hinweis, dass der Wortlaut des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers die Rechtsprechung des BGH tragen. Auch vom Willen des Gesetzgebers getragene Gesetze können aber verfassungswidrig sein. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung wird von den genannten Autoren[5] vor allem darin gesehen, dass der Barunterhaltspflichtige seinen Kindergeldanteil mit dem betreuenden Elternteil teilen soll, obwohl dieser den Zahlbetrag des Kindesunterhalts und zusätzlich das volle Kindergeld vereinnahmt. Damit fließt dem Betreuungselternteil, der zugleich selbst unterhaltsberechtigt ist, bei wirtschaftlicher Betrachtung zusätzlich zum auf ihn selbst entfallenden Kindergeldanteil – je nach Bemessung des Erwerbstätigenbonus – 4/10 bzw. 3/7 des Kindergeldanteils des Barunterhaltspflichtigen zu. Es wäre erfreulich gewesen, wenn sich das BVerfG näher mit der Frage auseinandergesetzt hätte, ob dieses Ergebnis sachlich gerechtfertigt ist. Dazu findet sich in der Entscheidung nur der Hinweis, im Hinblick auf die Orientierung der Höhe des Kindergeldes am Existenzminimum könne davon ausgegangen werden, dass der Bezugsberechtigte es auch tatsächlich für die Bedürfnisse seines Kindes verwende. Das entspricht der Argumentation des BGH, nach der die Ungleichbehandlung des Barunterhaltspflichtigen gerechtfertigt sein soll, weil nach praktischer Erfahrung anzunehmen sei, dass der betreuende Elternteil seinen Kindergeldanteil zugunsten des Kindes verwende, etwa für Eintrittsgelder, gelegentlichen Reitunterricht, Jahrmarktbesuche etc.[6]

Gegen diese Begründung spricht, dass der Betreuungselternteil den auf ihn entfallenden Kindergeldanteil schlechthin nicht mehr zur Deckung des finanziellen Bedarfs des Kindes verwenden kann. Denn dieser ist durch den Barunterhalt und die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes bereits vollständig abgedeckt. Die vom BGH angeführten Kosten im Zusammenhang mit der Betreuung eines Kindes sind dem Bereich der Freizeitgestaltung und damit dem Barbedarf zuzuordnen.[7] Durch ihre zusätzliche Anerkennung als Bestandteil des Betreuungsunterhalts wird dieser gegenüber dem Barunterhalt um einen pauschalen Baranteil aufgewertet. Das ist zum einen bedenklich, weil der Betreuungsunterhalt nach allgemeiner Auffassung gerade die nicht monetären Erziehungsanteile umfasst,[8] so dass es nicht einleuchtet, weshalb der betreuende Elternteil zu seiner Deckung das Kindergeld benötigt. Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass auch andere Einkünfte des minderjährigen Kindes jeweils zur Hälfte auf Bar- und Betreuungsunterhalt angerechnet werden.[9] Zum anderen spricht gegen die pauschale Aufwertung des Betreuungsunterhalts um das hälftige Kindergeld, dass zusätzliche Belastungen nach allgemeinen unterhaltsrechtlichen Regeln nicht schon aufgrund von Vermutungen zu berücksichtigen sind, sondern anhand konkreter Darlegungen.[10] Allerdings steht es dem Gesetzgeber frei, Ausnahmen von diesem Grundsatz zu regeln, was er mit der Neufassung von § 1612b BGB getan hat.

Im Ergebnis ist es jedenfalls zu begrüßen, dass in dieser sehr praxisrelevanten Frage nunmehr Klarheit besteht. Für die Vorhersehbarkeit unterhaltsrechtlicher Entscheidungen ist das ein bedeutender Gewinn.

Andreas Frank, Richter am Amtsgericht, derzeit OLG Bremen

[1] BGBl I 2007, 3189, Nr. 69.
[3] Graba, FF 2009, 453; Maurer, FamRZ 2008, 2157, 2161; Schürmann, FamRZ 2009, 1306, 1307; Soyka, FuR 2008, 157, 162 ff.; Spangenberg, FamRZ 2001, 255, 256.
[5] Graba, FF 2009, 453; Maurer, FamRZ 2008, 2157, 2161; Schürmann, FamRZ 2...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge