Auch im Vortrag von Rechtsanwalt Jörg Mannel aus Frankfurt am Main ging es um die neue Vielfalt der Lebensformen. Er spielte verschiedene Varianten von Sorgerechts-, Umgangsrechts- und Kindesrechtsfällen durch. Bei der Übertragung des Sorgerechts werden Kriterien wie die allgemeine Erziehungsfähigkeit, der Kindeswille und die ausreichende Bindungstoleranz beachtet. In seiner Praxis, so Mannel, sei das Kontinuitätsprinzip häufig ausschlaggebend gewesen. Im Gerichtsverfahren oder auch im Sachverständigengutachten werde darauf geschaut, wie die Betreuung in der Vergangenheit gehandhabt wurde und dann daraus die Prognose für die Zukunft getroffen. Da stelle sich allerdings die Frage, ob die neue Familiensituation im Falle einer Trennung so wirklich wiedergegeben wird. Der Vater wolle eben nicht mehr der "Umgangspapa" am Wochenende sein, er wolle seine Kinder aufwachsen sehen und weiterhin in der Erziehung und Betreuung Verantwortung übernehmen, also im Wechsel mit der Mutter für das Kind da sein. Dazu sei er auch bereit, seine Arbeitszeiten zu reduzieren. Manche Befürworter des Wechselmodells hätten hier die falsche Vorstellung, dass damit die Kindesunterhaltszahlungen wegfallen. Das sei aber nicht zwangsläufig der Fall, so Mannel. Man müsse auch im Blick behalten, dass Mütter, die bisher hauptsächlich die Betreuung übernommen haben, ohne Unterhaltseinkünfte nicht einmal die Miete aufbringen könnten. Nach der jetzigen Rechtsprechung bekommt der Elternteil, der mehr als 50 Prozent der Betreuung leistet, den Kindesunterhalt. Deshalb würden Entscheidungen der Eltern sich nicht immer nach dem Kindeswohl ausrichten, sondern nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Rechtlich sei nicht klar, wo das Wechselmodell anzusiedeln ist, etwa im Umgangsrecht oder im Aufenthaltsbestimmungsrecht. Hier wünscht sich Jörg Mannel eine bessere Struktur im Gesetz. In seinem sehr umfangreichen und detaillierten Vortrag sprach er auch von so genannten Umgangsverweigerern, schreckliche Fälle, in denen die Kinder am Ende mit niemandem mehr reden wollen und sich komplett verschließen.

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