Leitsatz (amtlich)

1. § 1696 Abs. 1 BGB, der für die Abänderung einer Entscheidung insbesondere nach triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen verlangt, ist auch dann anzuwenden, wenn eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren zur elterlichen Sorge aus der Vergangenheit vorliegt, in welcher das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Folge der Installierung eines Residenzmodells auf einen Elternteil übertragen worden ist und nunmehr im Rahmen eines Umgangsverfahrens vom anderen Elternteil eine paritätische Betreuung angestrebt wird.

2. Zur Frage der Beachtlichkeit des Kindeswillens.

 

Normenkette

BGB §§ 1671, 1684, 1696; FamFG § 166 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bad Schwalbach (Aktenzeichen 1 F 802/17 UG)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.11.2019; Aktenzeichen XII ZB 512/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 20.4.2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kindesvater in Ergänzung des Beschlusses berechtigt und verpflichtet ist, in den Wochen, in denen am Wochenende kein Umgang zwischen ihm und den Kindern stattfindet, in der Zeit von dienstags nach Schulschluss bis mittwochs zum Schulbeginn mit den Kindern Umgang zu haben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die weiteren Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der drei Kinder A, B und C Nachname1. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Regelung des Umgangs des Vaters mit den drei Kindern der Beteiligten. Das Verfahren wurde vom Familiengericht von Amts wegen eingeleitet, nachdem der Vater im parallel verlaufenden Sorgerechtsverfahren die Anordnung eines Wechselmodells begehrt hatte.

Die Eltern haben sich im Jahre 2004 in einem Urlaub des Vaters im Land1 kennengelernt und im Januar 2005 geheiratet. Nachdem die behördlichen Voraussetzungen geschaffen waren, kam die Mutter nach Deutschland. Der Vater hat aus einer früheren Beziehung ein weiteres, bereits erwachsenes Kind.

Als im ... 2008 das älteste Kind, A, geboren wurde, nahm der Vater Elternzeit, ebenso, als die Zwillinge B und C ein Jahr darauf im ... 2009 geboren wurden. Einen ersten Kontakt mit dem Jugendamt gab es bereits im Jahr 2011; seinerzeit war die Mutter mit den drei, kurz hintereinander geborenen kleinen Kindern stark gefordert und erhielt eine Haushaltshilfe vom Jugendamt. Im Jahr 2013 kam es zur Trennung der Eltern. Die Mutter stellte seinerzeit einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die drei Kinder, da sie aus dem gemeinsamen ehelichen Wohnhaus in Stadt1, welches im Miteigentum stand und immer noch steht, ausziehen und eine eigene Wohnung in Stadt2 beziehen wollte. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen ... bei dem Amtsgericht Stadt1 geführt. Das Gericht bestellte Frau Rechtsanwältin RAin1 als Verfahrensbeiständin.

Die Kinder wurden in jenem Verfahren am 1.4.2014 angehört. Damals war A fünf Jahre alt und die Zwillinge waren vier Jahre alt. Zu dem Zeitpunkt der Anhörung wohnte die Familie noch zusammen im gemeinsamen Familienwohnhaus, die Mutter wohnte im oberen Stockwerk, der Vater darunter.

A beantwortete seinerzeit die gerichtliche Frage, bei wem er gegenwärtig wohne, in der Weise, dass er bei beiden wohne, oben wohne die Mama und unten wohne der Papa. Auf die weitere gerichtliche Frage, wo er lieber wohnen würde, wenn sich etwas verändere und es nicht so bleiben könne, wie es gegenwärtig sei, antwortete A, dass er in diesem Fall lieber bei dem Papa als bei der Mama wohnen wolle. Die Anhörung der Zwillinge C und B gestaltete sich als schwierig. Auf die gerichtliche Frage danach, wo sie gegenwärtig wohnten, antworteten beide Kinder, sie wohnten sowohl bei der Mama als auch bei dem Papa.

Die Verfahrensbeiständin berichtete in dem Termin vom 1.4.2014, dass bei dem Hausbesuch im Familienwohnhaus insbesondere A ihr begeistert Haus und Garten gezeigt habe und der Vater ihr im Gespräch mitgeteilt habe, wie schön es aus seiner Sicht wäre, wenn die Kinder in der gewohnten Umgebung, d.h. bei ihm, verbleiben könnten. A habe in dem mit ihr geführten Gespräch erklärt, dass er, wenn eine Veränderung seines Lebensmittelpunkts notwendig werden sollte, zukünftig bei seiner Mutter leben wolle. Die Anhörung der Zwillinge habe sich als schwierig dargestellt. Die Mutter habe ihr gegenüber berichtet, einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen und dann arbeiten zu wollen, wenn die Kinder im Kindergarten bzw. in der Schule seien. Die Erziehung zusammen mit dem Kindesvater sei nicht einfach, da sie und der Vater hinsichtlich der Erziehung der Kinder und der Frage der Einhaltung von Regeln unterschiedliche Stile verfolgten. Zur Frage der zukünftigen Betreuung der Kinder erklärte die Mutter in dem Termin vom 1.4.2014, sie habe in der Vergangenheit den größeren Anteil der Betreuung gehabt und könne auch selbst die Betreuung sicherstellen. Der Vater erklärte, insbeso...

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