Umstellung auf Wechselmodell nicht gegen den Willen der Kinder

Ein eingespieltes Umgangsmodell ist gegen den Willen der Kinder nicht in ein Wechselmodell abzuändern. Das Kindeswohl wiegt schwerer als der Wunsch des Vaters nach gleichberechtigtem Umgang.

Der Entscheidung des OLG Frankfurt lag ein Fall zugrunde, in dem der Vater zweier Kinder einen zeitintensiveren Umgang mit seinen Kindern in Form des Wechselmodells anstrebte.

Bestehende Umgangsvereinbarung der Eltern vor Gericht

Die beiden Verfahrensbeteiligten sind verheiratete, getrenntlebende Eheleute. Die in den Jahren 2008 und 2011 geborenen Kinder leben bei ihrer Mutter. Im Sorgerechtsverfahren hatten die Eltern ein regelmäßiges, großzügiges Umgangsrecht des Vaters vereinbart. Dieses wurde in der Form praktiziert, dass sich die Kinder im wöchentlichen Wechsel jeweils samstags bis zum folgenden Dienstagmorgen bzw. Sonntag 17:00 Uhr bis zum folgenden Dienstagmorgen beim Vater aufhielten.

Kindesvater strebt Wechselmodell an

Dem Vater genügte dieser Umgang auf Dauer nicht. Er beantragte daher beim Amtsgericht eine Abänderung der Umgangsregelung. Er stellte sich einen gleichberechtigten Umgang der Kinder mit Mutter und Vater in Form eines wöchentlichen Wechselmodells vor, also eine Woche beim Vater, eine Woche bei der Mutter. Sowohl die Mutter als auch die beiden vom Gericht angehörten Kinder wünschten demgegenüber eine Beibehaltung der bisherigen Praxis. Die Kinder erklärten vor Gericht übereinstimmend, durch die Trennung der Eltern sehr belastet zu sein. Sie wünschten ausdrücklich die Beibehaltung der bisherigen Regelung mit der Begründung, dass endlich Ruhe einkehrt.

Gerichte lehnen Ausweitung des Umgangsrechts ab

Das Amtsgericht wies den Abänderungsantrag des Vaters zurück und beschloss die Beibehaltung der bisher praktizierten Umgangsregelung. Der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde des Kindesvaters blieb der Erfolg vor dem OLG versagt.

Regelung gegen Wunsch der Kinder entspricht nicht dem Kindeswohl

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung maßgeblich auf das Kindeswohl ab. Da die Eltern sich über die Umgangsregelung nicht hätten einigen können, sei eine gerichtliche Regelung erforderlich, die die dem Wohl der Kinder am besten gerecht wird. Der Senat zeigte sich überzeugt, dass eine Ausweitung der seit geraumer Zeit praktizierten, von den Kindern gut angenommenen und von ihnen weiterhin gewünschten Regelung gegen ihren ausdrücklichen Willen ihrem Wohl widersprechen würde.

Äußerung des Kindeswillens ist Teil der kindlichen Selbstbestimmung

Das OLG betonte, dass dem eindeutig geäußerten Willen der zwölf und zehn Jahre alten Kinder ein hohes Gewicht bei der Entscheidung zukomme. Trotz des jungen Alters habe das Gericht den Eindruck gewonnen, dass die Kinder den von ihnen geäußerten Willen autonom gebildet und sich ihrem Alter entsprechend äußerst reflektiert geäußert hätten. In den Äußerungen der Kinder sei ein bewusster Akt autonomer Selbstbestimmung zum Ausdruck gekommen, in dem sich der Wunsch nach einem stabilen Beziehungsgeflecht zu beiden Elternteilen mit klaren, beständigen Regeln deutlich gezeigt habe.

Autonomie der Kinder ist zu respektieren

Vor diesem Hintergrund hielt es der Senat für unangemessen, gegen die von den Kindern klar geäußerten Vorstellungen eine abweichende Umgangsregelung gerichtlich zu verordnen. Sowohl den Eltern als auch dem Gericht komme die Aufgabe zu, den Willen der Kinder, die unter dem Konflikt ihrer Eltern leiden, zu respektieren. Eine gerichtlich verfügtes Aufoktroyieren eines anderen Umgangs würde zu einer Belastung der Kinder führen und diene damit nicht dem Kindeswohl.

Kindeswohl geht vor Elternwunsch

Schließlich wies der Senat darauf hin, dass die Erwägungen des Kindesvaters zur Gleichberechtigung beider Elternteile hinter dem klar erkennbaren Willen der Kinder zurücktreten müsse. Die bisher praktizierte Regelung ermögliche es dem Vater in ausreichender Weise, eine angemessene Rolle im Leben seiner Kinder zu spielen. Auch die mangelnde Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft der Eltern spräche dagegen, ein bisher gut funktionierendes Umgangsmodell entgegen dem konstant geäußerten Willen der Kinder zu ändern.

Beschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen

Das OLG wies demgemäß die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Umgangsbeschluss des AG zurück.

(OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 6.7.2021, 3 UF 144/20).

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Die Besonderheit des Wechselmodells bzw. der sog. Doppelresidenz besteht - als besondere Ausformung des gemeinsamen Sorgerechts - darin, dass nicht ein Elternteil das Kind alleine versorgt und der andere Elternteil lediglich ein großzügiges Umgangsrecht ausübt; vielmehr wird nach diesem Modell das Kind von beiden Eltern zu gleichen oder ähnlichen Teilen versorgt, lebt also beispielsweise eine Woche bei dem einen Elternteil und die nächste Woche bei dem anderen. Die Wechselintervalle können hierbei stark variieren. Das Modell soll eine

  • gleichwertige Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen gewährleisten,
  • dem Kind ein Zuhause bei beiden Elternteilen bieten und
  • die elterliche Verantwortung zwischen Mutter und Vater gleich verteilen.

Die damit verbundenen Nachteile sind aber ebenfalls nicht zu übersehen; insbesondere bestehen in vielen Fällen Zweifel an der Praktikabilität dieses Modells.



Schlagworte zum Thema:  Sorgerecht, Kindeswohl