Wird das Kind volljährig, so erhöht sich der nach der Düsseldorfer Tabelle ihm zustehende Betrag. Insgesamt kann also der Unterhaltsberechtigte voraussichtlich einen höheren Unterhalt beanspruchen. Daher hat der Unterhaltspflichtige – auf den ersten Blick – gar kein Interesse, einen bestehenden Titel abzuändern.

Es lohnt sich aber eine genauere Betrachtung. Denn in der Praxis bedeutet der Eintritt der Volljährigkeit nicht zwingend, dass der Unterhaltsberechtigte vom bislang allein unterhaltspflichtigen Elternteil tatsächlich mehr verlangen kann. Denn die anteilige Mithaftung des anderen Elternteils[80] kann zu Verringerung der eigenen Haftung führen, und zwar auf jeden Fall in Abhängigkeit vom tatsächlichen Einkommen des anderen Elternteils, möglicherweise aber auch abhängig von dessen hypothetischen Einkünften.[81] Diese anteilige Haftung besteht auch beim privilegierten volljährigen Kind.[82] Die Darlegungs- und Beweislast des Kindes bezieht sich auch auf die Haftungsquote des bis zur Volljährigkeit des Kindes allein barunterhaltspflichtigen Elternteils.[83]

Auch ist zu berücksichtigen, dass das (nicht privilegierte) volljährige Kind im Rang hinter dem minderjährigen Kind und dem Ehegatten steht (§ 1609 Nr. 4 BGB).

Nach bisheriger Rechtslage erfolgte beim volljährigen Kind auch die Anrechnung des Kindergeldes anders als beim minderjährigen Kind. Während das Kindergeld beim volljährigen Kind voll auf den Bedarf des Kindes angerechnet wurde,[84] war dies beim minderjährigen Kind anders. Das neue Unterhaltsrecht überträgt diese Anrechnungsmodalität in § 1612b Abs. 1 BGB auch auf den Minderjährigenunterhalt.[85]

Mittelbar kann die Änderung des zu zahlenden Kindesunterhaltes auch Auswirkungen auf die Höhe eines noch geschuldeten Ehegattenunterhalts haben.[86]

Daher müssen bei der anwaltlichen Beratung in derartigen Fällen immer genau die individuelle Situation überprüft und auch die mittelbaren Auswirkungen bedacht werden. Erst nach einer sorgfältigen Analyse mit genauer Berechnung aller Ansprüche kann entschieden werden, ob ein Herabsetzungsverlangen Aussicht auf Erfolg hat oder ob damit nicht eher "schlafende Hunde" geweckt werden.

[80] Siehe Berechnungsbeispiel unten Seite 301 f.
[81] Siehe oben Fn 38; diese Problematik einer Erwerbsobliegenheit des anderen Elternteils und der Behandlung hypothetischer Einkünfte dieses Elternteils beim Volljährigenunterhalt soll einem gesonderten Beitrag vorbehalten bleiben.
[83] OLG Düsseldorf ZFE 2003, 154; OLG Hamm FamRZ 2000, 904; KG FamRZ 1994, 765; OLG Koblenz FamRZ 1999, 676–677; OLG Hamm FamRZ 2003, 1025; Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rn 32; Viefhues, in: jurisPK-BGB, § 1610 Rn 21; Eschenbruch, a.a.O., Rn 5341 unter Hinweis auf OLG Köln FamRZ 2000, 1043; s.a. unten bei Fn 137.
[84] BGH FamRZ 2006, 99 mit Anm. Viefhues und Scholz; Dose, FamRZ 2007, 1289, 1292 f. Dies gilt auch für privilegierte volljährige Kinder: BGH FamRZ 2007, 542 mit Anm. Schürmann.
[85] Dose, FamRZ 2007, 1289, 1292 m.w.N.; ausführlich Viefhues/Mleczko, Das neue Unterhaltsrecht (2008), S. 32 ff.
[86] Zum Vorwegabzug nachrangiger Unterhaltsansprüche bei der Bedarfsfeststellung für den Ehegattenunterhalt siehe Gerhardt, in: Handbuch FAFamR (2008), Kap. 6 Rn 494 m.w.N.

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