Ein Dauerthema in der Praxis ist die fehlerhafte Anwendung des Erwerbstätigenbonus, die häufig auf einem unreflektierten Gebrauch der Differenzmethode beruht. Der Erwerbstätigenbonus ist nur vom Erwerbseinkommen[148] bei tatsächlich ausgeübter Erwerbsarbeit[149] abzuziehen, wenn es um Trennungs- oder nachehelichen Unterhalt geht.[150] Das gilt auch für fiktives Erwerbseinkommen[151] und nach Auffassung des OLG München auch bei einer Steuererstattung aus dem Erwerbseinkommen.[152] Er ist aus dem bereinigten Nettoeinkommen zu ziehen[153] und nach dem Willen des BGH jetzt sogar rückwirkend für alle Zeiträume bundesweit in Höhe 1/10.[154] Ein höherer Abzug bleibt möglich, muss aber im Einzelfall begründet werden. Kein Abzug also bei Renten und Pensionen,[155] ALG I,[156] Abfindungen, die monatlich als Einkommensersatz umgelegt werden,[157] Krankengeld,[158] Eltern- oder bayerischem Betreuungsgeld[159] sowie Kapitaleinkünften, Mieten und Pachten und dem Wohnwert.[160]

Der Erwerbstätigenbonus kann nur auf Ebene der Bedarfsermittlung[161] und bei der Bedürftigkeitsebene abgezogen werden, nicht hingegen bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit.[162] Schließlich gilt er nur bei der Quotenunterhaltsberechnung, während er bei der konkreten Bedarfsberechnung bei beiden Ehegatten nicht zu berücksichtigen ist.[163]

Hier ist also besondere Achtsamkeit bei der Einkommensberechnung gefragt, da gerade bei höheren Einkommen das Zehntel immer noch einen nicht unerheblichen Unterschied macht, wenn es dem eigenen Mandanten oder dem Gegner "untergejubelt" wird.

[148] Ansonsten findet eine echte Halbteilung der Einkünfte statt, vgl. BGH FamRZ 2007, 983. Erwerbseinkommen sind nach dem EstG: das Einkommen Nichtselbstständiger, Selbstständiger, Gewerbetreibender und Land- oder Forstwirte, vgl. Siebert in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, § 4 Rn 773.
[149] Ist z.B. ein Beamter bei vollen Bezügen von der Tätigkeit freigestellt, kommt ein Abzug nicht in Betracht, OLG Koblenz FamRZ 2008, 2281.
[150] Nicht dagegen beim Familienunterhalt, BGH FamRZ 2002, 742. Wegen des Verweises in das Verwandtenunterhaltsrecht kommt er richtigerweise auch nicht im Rahmen von Ansprüchen nach § 1615l BGB in Betracht, vgl. BeckOK BGB/Reinken, 65. Ed. 1.2.2023, § 1615l Rn 17. Bei der Vergleichsberechnung nach den Grundsätzen des Ehegattenunterhalts, nach denen der Schuldner nicht mehr als beim Ehegattenunterhalt zahlen soll, ist er allerdings zu berücksichtigen, vgl. OLG Frankfurt NZFam 2019, 627.
[151] BGH FamRZ 1995, 346.
[152] OLG München FamRZ 1993, 328.
[153] Es sind sämtliche bereinigungsfähige Positionen vorab abzuziehen einschließlich vorrangiger Unterhaltslasten, vgl. BGH FamRZ 2020, 171. Bei Mischeinkünften sind nicht spezielle einkünftebezogene Positionen wie etwa ein Finanzierungskredit einer vermieteten Immobilie nach dem sog. Prinzip der Bonusbegrenzung immer vom Erwerbseinkommen abzuziehen, OLG Schleswig FuR 2015, 301. Auch der negative Wohnwert ist vom Erwerbseinkommen abzuziehen, OLG Koblenz FuR 2018, 592.
[154] BGH FamRZ 2022, 434.
[159] BGH FamRZ 2011, 97.
[161] Dort freilich bei beiden Ehegatten, vgl. BGH NJW 2011, 303.
[162] BGH FamRZ 2013, 399.
[163] BGH FamRZ 2011, 192; BGH FamRZ 2010, 1637.

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