Wie unschwer zu erkennen sein dürfte, ist das Scheidungsrecht weltweit nicht nur sehr divers ausgestaltet, sondern auch in vielen Staaten im Fluss. Der Autonomie der Ehegatten wird in immer mehr Rechtsordnungen größerer Stellenwert eingeräumt. Dabei könnten die in vielen EU-Mitgliedstaaten eingeführten Vertragsscheidungen auch dazu Anlass geben, in Deutschland stärker über eine außergerichtliche Scheidung nachzudenken, beispielsweise im Standesamt oder Notariat.

Bei der Anerkennung ausländischer Privatscheidungen handelt es sich um ein klassisches Problem des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts. Bis vor wenigen Jahren hatte sich die deutsche Rechtspraxis allerdings nur mit drittstaatlichen talq-, get- oder Vertragsscheidungen zu befassen. Die traditionellen Abgrenzungskriterien und Anerkennungsgrundsätze lassen sich jedoch nicht eins zu eins auf mitgliedstaatliche Vertragsscheidungen übertragen. Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH dies ebenso sieht und den Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO weit auslegt, um hinkende Rechtsverhältnisse zugunsten von Vertrauensschutz, Rechtssicherheit und EU-Freizügigkeit zu verhindern.

Angesichts der unsicheren Rechtslage unter Geltung der Brüssel IIa-VO ist das neue Anerkennungssystem für rechtsgeschäftliche Scheidungen in der Brüssel IIb-VO sehr zu begrüßen. Die in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten üblichen Vertrags- und Verfahrensscheidungen sind inhaltlich und funktional weitgehend vergleichbar, sodass eine Gleichstellung mit Blick auf ihre Anerkennung geboten ist. Die Neuregelung wurde allerdings mit heißer Nadel gestrickt, weshalb sich einige dogmatische Ungenauigkeiten oder offene Fragen eingeschlichen haben. Künftige Vorlageverfahren zum EuGH sind daher durchaus wahrscheinlich.

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