1. Ausgangslage

Die Entscheidung des BGH vom 9.3.2021 befasst sich mit der Frage, ob ein Unterhaltspflichtiger auch dann, wenn der Mindestunterhalt tangiert wird, die für sein Eigenheim gezahlten Tilgungsleistungen des Hausdarlehens absetzen kann.

2. Inhalt der Entscheidung

Der Antragsteller macht als Träger der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich des vollen Kindergelds (je Kind 309 EUR) aus übergegangenem Recht für die Zeit ab März 2021 gegen den Antragsgegner für dessen im Jahr 2004 und 2006 geborenen Kinder, die aus der geschiedenen Ehe mit der Kindesmutter hervorgegangen sind, geltend. Der Antragsgegner ist als Produktionshelfer beschäftigt und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.770,95 EUR. Er macht Fahrtkosten für den elf Kilometer langen Weg zur Arbeitsstätte, den er mit dem Kraftfahrzeug zurücklegt, geltend. Von seinem Arbeitgeber erhält er vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 13,29 EUR monatlich.

Im Jahr 2017 erwarb der Antragsgegner eine Wohnimmobilie zur Selbstnutzung, deren Wohnwert mit 350 EUR zu bemessen ist. Zur Finanzierung der Immobilie dienen zwei Kredite über 60.000 EUR und 12.000 EUR, für die der Antragsgegner monatliche Darlehensraten von 215,50 EUR (Tilgungsanteil 80 EUR) und 107 EUR (Tilgungsanteil 50 EUR), mithin insgesamt 322,50 EUR, zahlt.

Das Amtsgericht hat das Nettoeinkommen des Antragsgegners um berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von 121 EUR sowie um die vermögenswirksamen Arbeitgeberleistungen bereinigt und einen restlichen positiven Wohnwert in Höhe von 27,50 EUR aus der Differenz zwischen dem Wohnwert in Höhe von 350 EUR und dem gesamten Schuldendienst der Immobilienfinanzierung in Höhe von 322,50 EUR errechnet.

Das Amtsgericht hat sodann bei einem unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Gesamteinkommen von 1.664,16 EUR eine Verteilungsmasse von 504 EUR, mithin einen Anspruch i.H.v. 252 EUR pro Kind ermittelt und den Antragsgegner unter Abweisung des weitergehenden Antrags zur Erstattung von Unterhaltsvorschuss in dieser Höhe verpflichtet.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht Oldenburg[1] unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH zum Elternunterhalt[2] zurückgewiesen. Die dort entwickelten Grundsätze zur vollen Anrechnung der Zins- und Tilgungsleistungen seien auch auf die hiesige Fallkonstellation, in der der Mindestunterhalt nicht gedeckt sei und ein Mangelfall vorliege, anwendbar.

Die vom Träger der Unterhaltsvorschusskasse eingelegte Rechtsbeschwerde hat der BGH zurückgewiesen.

3. Einordnung der Entscheidung

Der BGH hat seine zum Elternunterhalt[3] und zum Ehegattenunterhalt[4] entwickelte Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein selbstgenutztes Hausgrundstück weiter entwickelt für die Ermittlung des Einkommens eines zur Zahlung von Kindesunterhalt Unterhaltspflichtigen. Auch beim Kindesunterhalt können nunmehr grundsätzlich bis zur Höhe des Wohnvorteils neben den Zinszahlungen zusätzlich die Tilgungsleistungen berücksichtigt werden, die der Unterhaltspflichtige auf ein Darlehen zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie erbringt.

4. Bedeutung der Entscheidung des BGH für die Praxis

In der Rechtsprechung und Literatur war es bisher umstritten, ob Zins- und Tilgungsleistungen trotz eines Mangelfalls in voller Höhe angerechnet können.

Es ist nach den Unterhaltsverhältnissen zu unterscheiden:

a) Elternunterhalt

Erstmals in einer Entscheidung zum Elternunterhalt hat der BGH seine frühere Rechtsprechung geändert und die volle Abzugsfähigkeit der Tilgungsleistungen bei einem Wohnvorteil bis zur Höhe dieses Wohnwerts akzeptiert.[5] Zur Begründung hat der BGH angeführt, dass dem grundsätzlich einkommenserhöhenden Wohnvorteil nicht nur die Zinsleistung gegenzurechnen sei, die der die Immobilie Nutzende auf einen zu ihrer Finanzierung aufgenommenen Kredit erbringe9. Auf den Wohnvorteil seien vielmehr auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwerts anzurechnen, weil es sich auch bei diesen nicht um eine Vermögensbildung "zu Lasten" des Unterhaltsberechtigten handele, da es ohne Zins und Tilgung schon den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht gäbe.

Zu beachten ist, dass bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt der Wohnwert nicht mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete, sondern auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete (angemessener Wohnwert) zu bemessen ist.[6] Es ist zu fragen, welche Miete der Unterhaltspflichtige auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine ihm angemessene Wohnung zahlen müsste.

b) Ehegattenunterhalt

Im Anschluss hieran hat er seine Rechtsprechung auf den Ehegattenunterhalt ausgedehnt.[7] Hier sind bei den Tilgungsleistungen die Eigentümerverhältnisse von Bedeutung, denn im Falle des Miteigentums der Eheleute hat die Rückführung der Hausdarlehen eine Vermögenssteigerung bei beiden Eheleuten zur Folge. Anders ist die Situation bei Alleineige...

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