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(Fortsetzung des Aufsatzes aus FF 5/2010, 179 ff.)

III. Einzelfragen

1. Basisunterhalt für drei Jahre

Wesentliche Neuerungen ergeben sich hier anhand der aktuellen Rechtsprechung nicht. Nach dem Gesetzeswortlaut wird Betreuungsunterhalt für "mindestens" drei Jahre nach der Geburt des Kindes geschuldet; von daher kommt eine Erwerbsobliegenheit vor der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nicht in Betracht. Zur Frage, ob eine Befristung schon zu einem Zeitpunkt vor Erreichen des dritten Lebensjahres des Kindes angeordnet werden kann, s.u. Ziffer 6.

2. Kindbezogene Belange

a) Krankheiten

Für die Anspruchsverlängerung ist allein der Hinweis auf das Vorliegen einer bestimmten Krankheit nicht ausreichend. Insbesondere die Asthma-Entscheidung des BGH[43] macht deutlich, dass

  • zum einen eine Darlegung der Auswirkungen der Erkrankung erforderlich ist,
  • zum anderen der Vortrag, dass deren "Auffangen" in betreuenden Einrichtungen nicht möglich ist.

Das letztgenannte Erfordernis wird im ADS-Urteil des BGH[44] ebenso deutlich wie in mehreren instanzgerichtlichen Entscheidungen. Dort standen beispielsweise Depressionen des Kindes sowie die Inanspruchnahme von Familienhilfe (E 4) oder eine Immunschwäche des Kindes mit der Folge häufiger Infekte und daraus resultierenden Unregelmäßigkeiten beim Kindergartenbesuch (E 11) einer Anspruchsverkürzung entgegen. Umgekehrt ergibt sich aus der ADS-Entscheidung des BGH,[45] dass problemloser Schulbesuch und sportliche Aktivitäten eines mit einer Erkrankung behafteten Kindes eine auswärtige Betreuung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen; maßgeblich ist vielmehr das konkrete Betreuungsangebot der kindgerechten Einrichtung.

[43] Urt. v. 18.3.2009 – XII ZR 74/08, FamRZ 2009, 770.
[44] Urt. v. 6.5.2009 – XII ZR 114/08, FamRZ 2009, 1124 m. Anm. Borth.
[45] Urt. v. 6.5.2009 – XII ZR 114/08, FamRZ 2009, 1124 m. Anm. Borth.

b) Alter

Ein maßgebliches Abstellen auf das Kindesalter ist nur in der Entscheidung E 2 festzustellen; hier handelt es sich erkennbar um einen "Ausreißer", weil die das herkömmliche Altersphasenmodell verneinende Rechtsprechung des BGH zeitlich erst danach ergangen ist. Das Alter des Kindes ist nur noch von sekundärer Bedeutung, was beispielsweise auch in der entsprechenden Umgestaltung der Hammer Leitlinien (s.o. unter I. 2) zum Ausdruck kommt.

Sozusagen als Obersatz ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber den Vorrang der persönlichen Betreuung bei jedem über drei Jahre alten Kind aufgegeben hat; hierauf wird in der aktuellen Entscheidung des BGH vom 16.12.2009[46] noch einmal ausdrücklich hingewiesen.

Mit der Nachrangigkeit des Kindesalters als Kriterium korrespondiert die Tatsache, dass die Bandbreite deutlich größer geworden ist. Einerseits besteht kein Vorrang der persönlichen Betreuung mehr bei über drei Jahr alten Kindern, und ein bereits 7jähriges Kind muss erst recht nicht mehr "auf Schritt und Tritt" überwacht werden, worauf der BGH in seiner Entscheidung vom 17.6.2009[47] hingewiesen hat. Andererseits kann bei Vorliegen entsprechender Besonderheiten (dort: Straffälligkeit) sogar noch bei einem Kind von siebzehn Jahren eine Betreuungsbedürftigkeit bestehen (E 3). Allerdings kann bei dreizehn und neun Jahre alten Kindern ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt abzulehnen sein, sofern keine Auffälligkeiten vorliegen und ein schulisches Ganztagsangebot genutzt werden kann (E 6).

Der Entscheidung des BGH vom 17.6.2009[48] lässt sich eine Art "Mittelweg" zwischen dem abgeschafften Altersphasenmodell und dem relativ strengen Gesetzeswortlaut in § 1570 BGB entnehmen. Einerseits wird klargestellt, dass eine Schematisierung im Sinne eines neuen Altersphasenmodells nicht in Betracht kommt; andererseits reicht dem BGH der Hinweis darauf, dass das Kind bis 14 Uhr außer Haus und ein Antrag auf einen Hortplatz abgelehnt worden sei, für die Aussage aus, die Kindesmutter müsse nicht mehr als in halbschichtigem Umfang arbeiten. Es muss schon als relativ großzügig bezeichnet werden,[49] dass hier die Frage einer möglicherweise erweiterten Tätigkeit bis 14 Uhr vom BGH nicht näher untersucht, sondern es gebilligt wird, dass das Berufungsgericht dies ohne nähere Begründung aus elternbezogenen Gründen nicht für zumutbar hält.

[46] BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08, FPR 2010, 182 = BeckRS 2010 01715. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken s. Hachenberg, FF 2009, 321.
[49] So Wever, FF 2009, 373.

c) Aktivitäten

Auch wenn ein Kind "eigentlich" in erweitertem Umfang fremdbetreut werden – und die Mutter demgemäß in erweitertem Umfang arbeiten – könnte, kann es andererseits gegen eine solche Ausweitung der Erwerbstätigkeit und für einen höheren Betreuungsumfang sprechen, wenn das Kind in größerem Umfang in Sport, Musik und Freundeskreis eingebunden ist (E 1). Nach der genannten Entscheidung gilt dies jedenfalls dann, wenn diese Aktivitäten schon zu Zeiten des Zusammenlebens "angelegt" waren und auch aktuell vom Unterhaltsschuldner unter...

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