Zur Erwerbsobliegenheit führt der BGH[31] aus: Für einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt über die Altersgrenze von drei Jahren des Kindes hinaus ist zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte. Ist dies zu bejahen, kann sich der betreuende Elternteil auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes nicht berufen. Ein Modell, das allein auf das Alter des Kindes abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts. Für die Verlängerung aus kindesbezogenen Gründen sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Bei der Frage, ob Aktivitäten, etwa sportlicher Art, vom Kind unverändert fortgesetzt werden können, ist im Ausgangspunkt darauf abzustellen, in welcher Form diese vom Kind und von den Eltern schon zur Zeit des Zusammenlebens der Familie durchgeführt wurden. Die von einem Elternteil zu erbringenden Betreuungsleistungen und sonstigen Tätigkeiten, etwa Beförderung zu Sportplätzen, dürfen nicht außer Verhältnis zu der dadurch gehinderten Erwerbstätigkeit stehen. Gegebenenfalls ist vom betreuenden Elternteil und vom Kind in Kauf zu nehmen, dass die Abläufe anders organisiert oder die Aktivitäten teilweise eingeschränkt werden, damit sie mit einer Erwerbstätigkeit in Einklang gebracht werden können. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein zwölfjähriger Junge die Hausaufgaben selbstständig erledigen und von seinen älteren Geschwistern Hilfe erwarten könne.

Steht der Umfang einer möglichen anderweitigen Kindesbetreuung fest, ist zu berücksichtigen, wie eine Erwerbstätigkeit mit den Zeiten der Kindesbetreuung (einschließlich Fahrzeiten) vereinbar ist und in welchem Umfang diese zumutbar ist. Dabei können sich insbesondere bei mehreren Kindern Einschränkungen ergeben. Freiwillige Betreuungsleistungen Dritter, z.B. der Großeltern, können durch einen Abzug nach Billigkeit berücksichtigt werden.[32]

Wenn der zeitliche Umfang der möglichen Erwerbstätigkeit feststeht, wird kein abrupter Wechsel von der elterlichen Betreuung zur vollen Erwerbstätigkeit verlangt, sondern es ist ein abgestufter Übergang möglich. Dabei ist auch die Zeit der Trennung zu berücksichtigen.

Schließlich kann einer Erwerbsobliegenheit entgegenstehen, dass diese Tätigkeit zu einer übermäßigen Belastung neben der Betreuung und Erziehung des Kindes führen kann. Die Entlastung des betreuenden Elternteils vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB wird teilweise dadurch aufgehoben, dass er über den Vorwegabzug des Kindesunterhalts einen Teil des Barunterhalts mitzutragen hat. § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB lässt Raum für eine Einbeziehung dieses Umstands unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Lastenverteilung zwischen den beiden Elternteilen im Einzelfall.

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