Inhaltlich sind dem Gericht durch § 26 FamFG keine Grenzen für die Mittel der Sachverhaltsaufklärung gesetzt, soweit es Maßnahmen selbst oder durch das zur Amtshilfe verpflichtete Jugendamt (§ 53 SGB VIII) bzw. mitwirkungsbereiter Dritter durchführen kann.[13] Es kann Personen anhören, Akten beiziehen,[14] einen Ortstermin abhalten,[15] Dokumente und Gegenstände ansehen und Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen heranziehen.[16] Es kann auch staatsanwaltliche Ermittlungsakten nach § 474 Abs. 1 StPO einsehen.[17] Die spezielleren Regelungen im besonderen Teil des FamFG sehen teilweise verpflichtende Aufklärungsmaßnahmen wie etwa die Anhörungspflichten für Kinder (§ 159 FamFG), Eltern (§ 160 FamFG), Pflegepersonen (§ 161 FamFG) oder das Jugendamt (§§ 162 Abs. 1 176 Abs. 1, 194 Abs. 1, 205 Abs. 1, 213 Abs. 1 FamFG) vor. Die Ergebnisse der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen dürfen bei der Beschlussfassung nicht ungebührlich veraltet sein.[18]

Ohne eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung, die § 26 FamFG ausdrücklich nicht darstellt,[19] kann das Gericht nicht in Rechte der Beteiligten oder Dritter für Ermittlungsmaßnahmen eingreifen oder Ermittlungsmaßnahmen mit Zwangsmitteln durchsetzen. Damit besteht z.B. kein Aussagezwang für Dritte oder die Beteiligten.[20] Das Gericht kann Zwangsmittel nach § 35 FamFG nur dort anwenden, wo das FamFG dies ausdrücklich gestattet, da § 35 FamFG – wie auch § 26 FamFG – selbst keine Rechtsgrundlage dafür darstellt.[21] Die in der anwaltlichen Praxis wichtigsten Beispiele für solche Rechtsgrundlagen sind § 220 FamFG (Auskunftspflichten im Versorgungsausgleich), § 285 FamFG und § 358 FamFG (Vorlage von Vorsorgevollmachten und Testamenten). Ansonsten sind gerichtliche Handlungsauflagen nicht mit Zwangsmitten durchsetzbar,[22] was insbesondere mangels Rechtsgrundlage für die Mitwirkung an einer Sachverständigenbegutachtung[23] eines Elternteils[24] oder an einer familientherapeutischen Maßnahme[25] gilt. Ergeht eine solche unzulässige Mitwirkungsauflage (z.B. Durchführung einer Haaranalyse) in Form eines grundsätzlich unanfechtbaren Beweisbeschlusses, kann dieser ausnahmsweise analog mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden (siehe dazu auch noch sogleich).[26]

[13] MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 26 Rn 21.
[14] Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 26 Rn 38.
[15] Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, FamFG, 13. Aufl. 2022, § 26 Rn 8.
[16] MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 26 Rn 21. Zum wohl derzeit unzulässigen Einsatz eines Lügendetektors, vgl. Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht, 8. Aufl. 2020, § 1 Rn 387.
[17] BGH FamRZ 2023, 968; OLG Hamburg FamRZ 2022, 360.
[18] EGMR FamRZ 2018, 350: 7 Jahre altes Sachverständigengutachten. OLG Bremen FuR 2017, 215: 3 Jahre altes Gutachten bei Umgangsausschluss.
[19] BVerfG FamRZ 2009, 944; BGH FamRZ 2010, 720. Zu § 35 FamFG siehe sogleich.
[20] MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 26 Rn 21.
[21] Sternal/Jokisch, 21. Aufl. 2023, FamFG § 35 Rn 10.
[22] Ausdrücklicher Gesetzgeberwille BT-Drucks 16/6308, S. 186; z.T. im Gesetz auch nochmals explizit erwähnt wie in § 206 Abs. 3 FamFG für Haushaltssachen.
[23] BVerfG FamRZ 2004, 523; BGH FamRZ 2010, 720 (wonach die verweigerte Mitwirkung grundsätzlich kein vorwerfbares Verhalten i.S.d. Beweisvereitelung ist).
[24] Achtung: Die Einwilligung zur Begutachtung des Kindes kann nach § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB durch das Familiengericht ersetzt werden, vgl. OLG Bremen NJW-RR 2014, 774.; Fahl, NZFam 2015, 848, 850.
[25] BVerfG FamRZ 2011, 179; BGH FamRZ 1994, 158.

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