Der Bundesgerichtshof[14] gab der Mutter der verstorbenen Tochter Recht. Sie erhielt die Zugangs- und Nutzungsrechte zu dem Account ihrer Tochter. In der Entscheidung kritisierte der Bundesgerichtshof die Ansicht des Kammergerichtes hinsichtlich des Vorrangs des Fernmeldegeheimnisses und beschäftigte sich mit der Frage, ob Daten vererbbar sind oder eine Vererbbarkeit ausgeschlossen werden kann. Der digitale Nachlass ist seit dieser Entscheidung im Rahmen der erbrechtlichen Betrachtung dem analogen Nachlass gleichgestellt. Aus erbrechtlicher Sicht gibt es zudem keine Kollision mit § 88 TKG, da alle Rechte aufgrund des Prinzips der Universalsukzession auf die Erben übergehen.

Der BGH stellte klar, dass der Erbe aufgrund des in § 1922 BGB geregelten Grundsatzes der Universalsukzession grundsätzlich uneingeschränkt in die Rechtsbeziehungen des Erblassers eintrete. Hierbei sei nicht zwischen Rechtsbeziehungen zwischen realen Personen und Internetprovidern zu unterscheiden, da diese weitestgehend identisch seien. Zwar sei es grundsätzlich möglich, die Vererbbarkeit von Rechtsverhältnissen auszuschließen. Ein solcher Ausschluss wurde im vorliegenden Fall jedoch nicht vereinbart. Zudem sei ein Ausschluss der Vererbbarkeit kraft AGB wohl regelmäßig unwirksam. Sollte ein solcher Ausschluss durch die AGB des Providers Vertragsbestandteil geworden sein, müsse dieser der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB standhalten. Dies sei regelmäßig nicht der Fall, da eine Bestimmung insbesondere dann als unwirksam anzusehen sei, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung nicht vereinbar sei. Vorliegend handele es sich um die Regelung des § 1922 BGB, kraft derer das gesamte Vermögen auf den Erben übergehe. Von dieser Regelung würden alle Rechtsbeziehungen des Erblassers umfasst.

Das Gericht stellt weiter fest, dass es sich bei den Zugangs- und Nutzungsrechten von Accounts zu sozialen Netzwerken nicht um höchstpersönliche Rechtsverhältnisse handele, welche nicht vererbbar wären. Dies begründet das Gericht zum einen damit, dass die sozialen Netzwerke den Nutzungsvertrag ohne vorherige Identitätsprüfung vornehmen und damit jedermann Zutritt zu den Kommunikationsplattformen gewährt würde. Zum anderen begründe sich die Höchstpersönlichkeit nicht allein dadurch, dass der Nutzungsvertrag im Vertrauen darauf abgeschlossen wird, dass der Kommunikationsverlauf nicht Dritten gegenüber offengelegt wird. Zwar dürften die Nutzer darauf vertrauen, dass das Unternehmen Facebook ausgewählte Nachrichten nur dem vom Nutzer ausgewählten Empfänger zustellt. Kein Nutzer könne aber darauf vertrauen, dass der Absender oder Empfänger die Nachrichten nicht Dritten gegenüber offenlegt. Weiter müsse jeder Nutzer damit rechnen, dass im Falle des Todes des Kommunikationspartners die Erben an dessen Stelle rücken und Einsicht in den Verlauf nehmen können. Auch hier betont das Gericht wieder ausdrücklich, dass es keinen Grund gebe, den Chatverlauf als digitalen Schriftverkehr anders zu behandeln als den analogen Briefverkehr.

Das Gericht widerspricht zudem in seiner Begründung der Ansicht des Kammergerichtes hinsichtlich des Vorrangs des Fernmeldegeheimnisses. Danach breche das Erbrecht das Fernmeldegeheimnis. Hier stellt der BGH klar, dass man hinsichtlich der Inhalte der betroffenen Daten nicht nach dem Vermögenswert unterscheiden dürfe, womit auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichem Inhalt auf die Erben übergehen, vgl. §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB.

Der Vererbbarkeit von digitalen Inhalten stehe auch nicht das in § 88 TKG geregelte Fernmeldegeheimnis entgegen. Der Erbe sei auch kein "anderer" i.S.d. § 88 Abs. 3 TKG. Er trete nach § 1922 BGB in die Rechtsposition des Erblassers ein und sei damit rein rechtlich betrachtet keine andere Person. Die durch das Kammergericht vorgenommene rein naturalistische Betrachtung und damit einhergehende Bejahung einer anderen Person sei abzulehnen. Sie führe zum Widerspruch innerhalb des gesamten Erbrechtes und laufe mithin einer einheitlichen Rechtsordnung zuwider.

Zudem führt der BGH in seiner Entscheidung an, dass eine pauschale Unvererbbarkeit von Daten alleine aufgrund der hypothetischen Möglichkeit der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechtes nicht gerechtfertigt sei. Im Falle einer tatsächlichen Verletzung des Rechtes durch den Erben können die nahen Angehörigen gerichtlich dagegen vorgehen, um den Schutz aufrechtzuerhalten. Die Anwendbarkeit des Datenschutzes verneinte das Gericht mit dem Argument, dass es nur lebende Personen schütze. Zudem sei die Bereitstellung von Daten an die Erben nach Art.6 DSGVO zulässig und erforderlich, damit der Provider seine vertraglichen Pflichten erfüllen könne.

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