1 Ehewohnung

OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.7.2023 – 18 UF 97/22

1. Bei der Bemessung der Nutzungsvergütung gemäß § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung alle Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich. Die Billigkeitsabwägung ist nicht nach streng rechnerischen Maßstäben vorzunehmen, sondern es ist eine wertende Betrachtung und Gewichtung der einzelnen Umstände geboten.

2. Grundsätzlich entspricht es jedenfalls nach Ablauf des Trennungsjahres der Billigkeit, wenn der in der im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Ehewohnung verbleibende Ehegatte eine Nutzungsvergütung in Höhe der Hälfte des objektiven Mietwertes der Immobilie bezahlt. Weitere Billigkeitskriterien wie insbesondere die Leistungsfähigkeit des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten, die Einkommensverhältnisse des anderen Ehegatten und der Schutzzweck des § 1361b BGB können die zu leistende Nutzungsentschädigung mindern oder ganz entfallen lassen.

2 Gewaltschutz

OLG Hamm, Beschl. v. 13.7.2023 – II-1 WF 93/23

Die Drohung, ursprünglich einvernehmlich überlassene Nacktaufnahmen im Internet zu veröffentlichen, erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GewSchG.

3 Unterhalt

OLG Koblenz, Beschl. v. 5.12.2022 – 7 UF 372/22

1. Unterhaltszahlungen, die auf eine unter dem Vorbehalt der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens stehende Einigung hin gezahlt werden, kommt keine Erfüllungswirkung zu. Die Wirkungen einer solchen Vereinbarung gehen nicht über jene einer gerichtlichen einstweiligen Unterhaltsanordnung hinaus.

2. Da solche Unterhaltszahlungen unter dem Vorbehalt einer endgültigen Regelung stehen, tritt allerdings mit Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache im Umfang des mit dieser zuerkannten Unterhalts Erfüllungswirkung ein, ohne dass sich der Unterhaltsempfänger auf zwischenzeitlich eingetretene Bereicherung berufen kann.

3. Diese nachträglich eintretende Erfüllungswirkung ist mittels Vollstreckungsgegenantrag geltend zu machen.

4 Sorge- und Umgangsrecht

OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.5.2023 – 4 UF 19/23

1. Informiert das Jugendamt nach seinem Ermessen das Familiengericht über unterlassene Vorsorgeuntersuchungen (§ 8 a SGBVIII), ist dieses zu einer eigenständigen Prüfung verpflichtet, ob gerichtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB geboten sind (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.9.2013 – 1 ZF 105/13, ZKJ 2014, 31).

2. Die Versäumung der Teilnahme an U-Untersuchungen für ein Kind rechtfertigt allein noch keine familiengerichtlichen Maßnahmen zum Schutz des Kindes vor einer möglichen Gefährdung.

3. Etwaige gerichtliche Maßnahmen sind nicht zur Durchsetzung oder zum Nachweis der Vorsorgeuntersuchung anzuordnen, sondern müssen erforderlich sein, um eine Risikoeinschätzung zu ermöglichen.

OLG Bremen, Beschl. v. 7.9.2023 – 5 UF 13/23

1. Dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der Alleinsorge für das gemeinsame Kind ist mit Rücksicht auf den auch bei der Aufhebung der gemeinsamen Sorge zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz trotz Fehlens des für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge erforderlichen Mindestmaßes an Bereitschaft und Fähigkeit der Kindeseltern, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren, im Einzelfall der Erfolg zu versagen, wenn der andere Elternteil ihn umfassend zur alleinigen Vertretung des Kindes in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten bevollmächtigt, die erteilte Vollmacht – als gegenüber der Sorgerechtsübertragung milderes Mittel – nach den konkreten Umständen als ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange durch den bevollmächtigten Elternteil anzusehen und von einer hinreichenden Restkooperation zwischen den Kindeseltern auszugehen ist.

2. Die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Auflösung des gemeinsamen Sorgerechts trotz Vollmachterteilung durch den anderen Elternteil trifft den die Alleinsorge beantragenden Elternteil.

3. Die aktuelle Einschätzung eines Sachverständigen, wonach mit der Durchführung der Kindesanhörung das Risiko einer Kindeswohlgefährdung verbunden wäre, stellt einen das Absehen von der Kindesanhörung ausnahmsweise rechtfertigenden schwerwiegenden Grund i.S.d. § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG dar.

OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 23.2.2023 – 4 UF 162/22

1. Die minderjährige Mutter ist beschwerdebefugt, wenn durch eine Entscheidung des Familiengerichts in ihre (nach § 1673 Abs. 2 S. 2 BGB teilweise ruhende) elterliche Sorge eingegriffen wird (hier durch Übertragung der Alleinsorge auf den volljährigen Vater).

2. Die minderjährige Mutter besitzt die für einen Antrag auf Einräumung der Mitsorge des Vaters (§ 1626a Abs. 2 S. 1 BGB) erforderliche Verfahrensfähigkeit.

3. Im Falle einer dem Vater mit Einwilligung der Personenberechtigten der minderjährigen Mutter von dieser erteilten Sorgerechtsvollmacht hat die Übertragung der Alleinsorge auf den volljährigen Vater trotz einer im Übrigen fehlenden Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern zu unterbleiben, wenn die Bevollmächtigung des Vaters durch die Mutter zur Folge hat, dass das Kindeswohl durch den elterlichen Konflikt nich...

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