Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bemessung der Nutzungsvergütung gemäß § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung alle Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich. Die Billigkeitsabwägung ist nicht nach streng rechnerischen Maßstäben vorzunehmen, sondern es ist eine wertende Betrachtung und Gewichtung der einzelnen Umstände geboten.

2. Grundsätzlich entspricht es jedenfalls nach Ablauf des Trennungsjahres der Billigkeit, wenn der in der im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Ehewohnung verbleibende Ehegatte eine Nutzungsvergütung in Höhe der Hälfte des objektiven Mietwertes der Immobilie bezahlt. Weitere Billigkeitskriterien wie insbesondere die Leistungsfähigkeit des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten, die Einkommensverhältnisse des anderen Ehegatten und der Schutzzweck des § 1361b BGB können die zu leistende Nutzungsentschädigung mindern oder ganz entfallen lassen.

 

Normenkette

BGB § 1361b Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Ravensburg (Beschluss vom 06.07.2022; Aktenzeichen 8 F 134/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - R. vom 06.07.2022, Az 8 F 134/22, wird zurückgewiesen

2. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - R. vom 06.07.2022, Az 8 F 134/22, wie folgt abgeändert:

Der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von zuletzt 1.950,00 EUR monatlich für die Zeit ab 01.01.2022 in Anspruch, da die Antragsgegnerin die im hälftigen Miteigentum der Beteiligten stehende Immobilie ... seit der Trennung der Beteiligten im März 2020 zusammen mit den drei gemeinsamen Kindern allein nutzt. Der Antragsteller ist aus dem ehelichen Haus ausgezogen.

Die Beteiligten sind verheiratet. Sie leben seit März 2020 voneinander getrennt. Beim Amtsgericht R. ist das Ehescheidungsverfahren rechtshängig (AZ 8 F 860/20). Aus der Ehe sind die Kinder ..., geboren ... 2012, ..., beide geboren ... 2017, hervorgegangen, die ihren Lebensmittelpunkt bei der Antragsgegnerin haben. ... und ... besuchen noch den Kindergarten, werden im September 2023 aber eingeschult. Der Antragsteller bezahlt für die drei gemeinsamen Kinder den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Der Kindesunterhalt ist durch Jugendamtsurkunden tituliert. Trennungsunterhalt bezahlt der Antragsteller nicht. Die Antragsgegnerin hat nach der Trennung eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 50 % als Industriekauffrau bei der Firma ... aufgenommen. Zusätzlich arbeitet sie in einem Lokal in ... Aus dieser Tätigkeit erzielt sie nach ihrem Vorbringen Einkünfte in Höhe von 80,00 EUR monatlich. Auf der Immobilie der Beteiligten lasten Verbindlichkeiten in Höhe von 194.475,75 EUR. Der Antragsteller bezahlte bis einschließlich Februar 2023 auf drei Darlehen bei der Volksbank ... monatlich 882,78 EUR. Seit März 2023 leistet er keine Zahlungen mehr. Die Antragsgegnerin zahlt auf einen Bausparvertrag monatlich 200,00 EUR. Mit Schreiben vom 19.01.2022 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung unter Beifügung einer Berechnung der objektiven Marktmiete für die gemeinsame Immobilie auf.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.110,00 EUR zu verpflichten.

Zur Begründung hat er vorgetragen, die Höhe der Nutzungsentschädigung belaufe sich auf die Hälfte der objektiven Marktmiete, die für die gemeinsame Immobilie der Beteiligten mit 3.700,00 EUR zu veranschlagen sei. Der Antragsteller zahle sämtliche Nebenkosten der Immobilie wie Strom, Gas, GEZ - Gebühren und Kosten für den Schornsteinfeger.

Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt, den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen und sich im Wesentlichen darauf berufen, dass sie zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung nicht leistungsfähig sei. Aufgrund der Betreuung der drei gemeinsamen Kinder sei sie nicht in der Lage, mehr als halbschichtig zu arbeiten.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 06.07.2022 die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum von Januar 2022 bis einschließlich März 2022 eine Nutzungsentschädigung für die Nutzung der gemeinsamen Immobilie in Höhe von insgesamt 1.328,00 EUR nebst Zinsen zu bezahlen sowie ab April 2022 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 442,00 EUR monatlich. Den Antrag des Antragstellers im Übrigen hat das Familiengericht zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Familiengericht im Wesentlichen ausgeführt, auf die Höhe der objektiven Marktmiete komme es im vorliegenden Fall nicht an, da diese lediglich nach langer Trennung der Beteiligten ein Kriterium darstellen könne, sofern dies der Billigkeit entspreche. Diese Voraussetzung liege nicht vor, da der...

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