Die Düsseldorfer Tabelle ist seit fast 60 Jahren in Gebrauch und hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert.[3] Sie genießt in der familienrechtlichen Praxis eine hohe Akzeptanz und trägt in besonderem Maße zur Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen und zur Gleichbehandlung von Unterhaltsschuldnern und -gläubigern in Deutschland bei. Zu Recht kritisiert wird allerdings, dass die von der Praxis als reine Auslegungshilfe entwickelte Düsseldorfer Tabelle von vielen Gerichten gleichsam wie ein Gesetz angewendet wird, so dass vom Normalfall abweichende Umstände des Einzelfalls in gerichtlichen Entscheidungen (zu) wenig Beachtung finden.[4] Eine derart starre Handhabung der Tabellenbeträge wird der Aufgabe des Gerichts, den im Einzelfall angemessenen Unterhalt zu bestimmen, nicht gerecht und läuft damit auf eine rechtswidrige Ermessensunterschreitung hinaus. Allerdings ist auch zu beobachten, dass die anwaltliche Praxis – in vorauseilendem Gehorsam? – oft eher zurückhaltend zu solchen besonderen Umständen des Einzelfalls vorträgt. Dieses Problem betrifft zum einen Unterhaltsberechtige, deren individueller Bedarf die pauschalen Sätze der Tabelle übersteigt.[5] Es gilt aber umgekehrt auch für Unterhaltsschuldner, die in Bezug auf den Kindesunterhalt jedenfalls bisher kaum mit Erfolg geltend machen können, während des Zusammenlebens als intakte Familie zu keiner Zeit den Lebensstandard gepflegt zu haben, zu dessen Deckung sie nach der Trennung verpflichtet werden sollen, oder bei der Prüfung einen höheren als den pauschalen tabellarischen Selbstbehalt durchsetzen wollen.[6] Da die Pflicht zur Unterhaltszahlung den Schuldner in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beschränkt, bedarf sie jedoch schon aus verfassungsrechtlichen Gründen[7] in Grund und Höhe einer überzeugenden Rechtfertigung. Zugleich muss die Praxis im Blick behalten, dass über die angemessenen Lebensstellung (§ 1610 Abs. 1 BGB) eines minderjährigen Kindes und damit seinen unterhaltsrechtlichen Bedarf[8] in erster Linie seine sorgeberechtigten Eltern entscheiden, denn ihnen weist Art. 6 GG die Erziehung primär zu, wenn auch begrenzt durch das staatliche Wächteramt.
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