Unter dem Aspekt der unzureichenden Teilhabe an dem während der Ehe erwirtschafteten Gewinn führte der Gesetzgeber zunächst das negative Anfangsvermögen ein und beseitigte damit das viel kritisierte Schuldenprivileg des § 1374 BGB a.F. Dieses resultierte daraus, dass das Anfangsvermögen immer mit mindestens Null anzusetzen war – was zur Folge hatte, dass der wirtschaftliche Gewinn, den ein verschuldet in den Güterstand gestarteter Ehegatte durch den Abbau seiner Verbindlichkeiten erzielt hatte, nicht als Zugewinn bilanziert werden konnte. Dass der Ausschluss des Ehepartners von – im Schuldenabbau liegenden – Vermögenserwerb des anderen mit der Gerechtigkeitsidee des Zugewinnausgleichs nicht vereinbar war, war schließlich (fast) allgemeine Meinung geworden. Seit 1.9.2009 gilt nun, dass Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Anfangsvermögens über die Höhe des vorhandenen Vermögens abzuziehen sind (§ 1374 Abs. 3 BGB).

Strittig geworden ist im Zusammenhang mit der Einführung des negativen Anfangsvermögens die Frage, wie Verbindlichkeiten, die sich während der Ehe durch Privatinsolvenz (§§ 286 ff. InsO) – und nicht durch Rückzahlung – erledigt haben, im Anfangsvermögen des überschuldeten Ehegatten anzusetzen sind. Das OLG Naumburg hat sie mit ihrem Nominalwert berücksichtigt und damit den durch die Restschuldbefreiung erzielten Vermögenszuwachs dem durch reale Schuldentilgung erzielten gleichgesetzt.[2] Das überzeugt. Denn auch die im Wege der Verbraucherinsolvenz herbeigeführte Schuldenfreiheit beruht schließlich auf gemeinsamer Anstrengung der Ehegatten und wird insofern von ihnen beiden erwirtschaftet. Sowohl der zum Konsumverzicht führende Einkommenseinzug (§ 287 Abs. 2 InsO) wie auch die Wohlverhaltensgebote (§ 295 InsO) und die Transparenzpflichten (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) müssen nämlich vom Ehepartner mitgetragen werden. Von daher verfängt das Argument, die durch die "Wohltat der Privatinsolvenz" getilgten Verbindlichkeiten – weil weniger belastend – mit einem niedrigeren Wert einzustellen,[3] nicht. Auch die durch Privatinsolvenz erlangte Schuldenfreiheit fällt schließlich nicht vom Himmel und ist mithin auch güterrechtlich nicht als Schuldbefreiung zweiter Klasse zu qualifizieren.

Ansonsten hat die neue Regelung wenig praktische Bedeutung erlangt. Angesichts der Verve und Vehemenz, mit der die Nicht-Berücksichtigung defizitären Anfangsvermögens jahrzehntelang als große Ungerechtigkeit gebrandmarkt wurde, entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Die Norm deshalb als überflüssig und – wegen der mit der Ermittlung des Negativsaldos verbundenen Verfahrensverzögerungen – sogar schädlich zu bezeichnen,[4] scheint gleichwohl etwas überzogen. Wenn auch negative Anfangsvermögen und Konflikte um sie nicht häufig vorkommen, verleiht ihre Anerkennung in § 1374 Abs. 3 BGB dem Gerechtigkeitsgedanken des Zugewinnausgleichs Ausdruck – und nicht nur symbolisch, denn in den, wenn auch nur wenigen, einschlägigen Fällen gewährleistet sie den fairen Ausgleich.

[2] OLG Naumburg FamRZ 2015, 748; OLG Stuttgart NJW 2014, 2885 konnte die Frage offenlassen, da es nur darum ging, ob die Bewertung der – durch Privatinsolvenz getilgten – Verbindlichkeit dem selbstständigen Beweisverfahren zugänglich ist, was zu Recht verneint wurde, denn die Bewertung ist eine Rechts- und keine Tatsachenfrage.
[3] Kogel, FamRZ 2013, 1354 u. 2015, 715; Frauenknecht, NJW-Spezial 2013, 260.
[4] Kogel, NZFam 2019, 701 (705).

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