Berücksichtigung der Schulden

Nach § 1374 Abs. 1 BGB a. F. durften vom Anfangsvermögen Verbindlichkeiten nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden. Das Anfangsvermögen konnte also nie geringer als Null sein.

Jede Mehrung des Anfangsvermögens mindert den Zugewinn. Folglich bedeutete dieses Schuldenprivileg eine rechnerische Verkürzung des Zugewinns um die während der Ehe erworbene, jedoch für die Schuldentilgung verwandte Summe. Der dem Zugewinn zugrunde liegende Gedanke, dass beide Ehegatten gleichmäßig am ehelichen Vermögenserwerb beteiligt werden sollen, wurde durch diese Regelung vereitelt.[1]

Neuregelung

Daher heißt es nun in § 1374 Abs. 3 BGB n. F.: "Verbindlichkeiten sind über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen." Bei Verschuldung eines Ehegatten ist sein Anfangsvermögen also mit einem Negativsaldo in die Bilanz einzustellen.[2] Hierfür ist nur Voraussetzung, dass diese Verbindlichkeiten am Stichtag bereits vorhanden sind; auf deren Fälligkeit kommt es nicht an.[3]

Und so wirkt sich die Neuregelung aus:

 
Praxis-Beispiel

Alte und neue Rechtslage

M hat am Anfang der Ehe Schulden von 50.000 EUR, die er im Laufe der Ehe tilgt. Darüber hinaus gelingt es ihm, weitere 50.000 EUR anzusparen. F hatte zu Beginn der Ehe weder aktives noch passives Vermögen, also 0 EUR. Sie verfügt zum Ende der Ehe über 80.000 EUR.

Nach altem Recht wäre beider Anfangsvermögen mit 0 EUR (kein negatives Anfangsvermögen bei M!) anzusetzen. F hätte 30.000 EUR mehr Zugewinn während der Ehe erzielt. Sie schuldet M also 15.000 EUR. M ist ausgleichsberechtigt.

Nach neuem Recht hatte M ein negatives Anfangsvermögen von – 50.000 EUR. Er hat wegen seines Endvermögens von + 50.000 EUR einen Zugewinn von 100.000 EUR erzielt, mithin 20.000 EUR mehr als F. Im Ergebnis schuldet nun er F 10.000 EUR. F ist ausgleichsberechtigt.[4]

Tilgung durch Restschuldbefreiung

Ist ein Ehegatte bei Eheschließung überschuldet und hat er in zeitlichem Abstand zur Eheschließung mittels eines Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung einen Schulderlass oder eine wesentliche Verringerung erreicht, so ist umstritten, ob und inwieweit sich dieser Umstand auf den Zugewinn auswirkt. Nach überwiegender Auffassung sind sämtliche Verbindlichkeiten in das Anfangsvermögen einzustellen. Eine Differenzierung danach, ob sich ein anschließender, für das Endvermögen maßgeblicher Vermögenszuwachs aufgrund einer Tilgung der anfänglichen Verbindlichkeiten oder aber als Konsequenz einer Restschuldbefreiung im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ergeben hat, sehe das Gesetz nicht vor.[5]

Indexierung

Fraglich ist, ob eine Indexierung des negativen Anfangsvermögens bzw. des privilegiert nach § 1374 Abs. 2 BGB erworbenen Vermögens vorzunehmen ist. Dies wird zu bejahen sein, denn der inflationsbedingte Kaufkraftschwund wirkt sich auch auf Schulden aus.[6]

[1] Zimmermann, NJOZ 2009, S. 185, 187.
[2] Koch in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 1374 Rn. 16 mit Berechnungsbeispiel.
[3] Cziupka in BeckOK-BGB, Stand 1.2.2020, § 1374 Rn. 11.
[4] Rakete-Dombek, FPR 2009, S. 270; vgl. auch Brambring, FPR 2009, S. 297.
[5] OLG Naumburg, Beschluss v. 17.12.2014, 4 UF 153/14, FamRB 2015 S. 123 mit Anm. Burschel; Cziupka in BeckOK-BGB, Stand 1.2.2020, § 1374 Rn. 15; Koch, FamRZ 2016, S. 1021, 1022; a. A. Kogel, FamRZ 2015, S. 715.
[6] Dazu Kogel, NJW 2010, S. 2025; Gutdeutsch, FPR 2009, S. 277 je mit Berechnungsbeispiel.

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