Das FamFG[1] selbst sieht kein selbstständiges Beweisverfahren vor. In Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird es in der Literatur dennoch für möglich gehalten und vertreten, die Vorschriften der ZPO (§§ 485494a ZPO) seien entsprechend anzuwenden.[2] Üblich ist es allerdings in diesen Verfahren nicht, und angesichts des Amtsermittlungsgrundsatzes ist auch fraglich, ob es ein entsprechendes Bedürfnis gibt.

Ebenfalls noch weithin unüblich, aber zulässig ist das selbstständige Beweisverfahren in Familienstreit- und Ehesachen, da § 113 Abs. 1 FamFG für diese Verfahren auf die ZPO verweist. In diesen Verfahren kann es auch sinnvoll sein, und zwar insbesondere in Güterrechtssachen und sonstigen Familienstreitsachen. Die veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur beziehen sich im Wesentlichen auf Verfahren über den Zugewinnausgleich, und diese werden wohl auch der Hauptanwendungsfall des selbstständigen Beweisverfahrens in Familiensachen bleiben. Denkbar ist seine Durchführung aber z.B. auch in Unterhaltssachen oder Verfahren aus dem sogenannten "Nebengüterrecht", worauf ich später noch eingehen werde.

Bei den Gerichten ist das selbstständige Beweisverfahren nicht sonderlich beliebt, zum Teil bekommt man den Eindruck, sie wollten es durch überzogene Anforderungen an die Zulässigkeit oder die Ansetzung viel zu geringer Verfahrenswerte den Beteiligten möglichst madig machen. Diese Zurückhaltung der Justiz hat mehrere mögliche Gründe. Zum einen werden selbstständige Beweisverfahren nicht immer stringent geführt, insbesondere wird zum Teil aus (unberechtigter) Angst vor späterer Präklusion schon umfangreich zur Sache vorgetragen, obwohl dies eigentlich nicht veranlasst ist. Zum anderen kann das Gericht das Verfahren nur schwer beenden, wenn die Beteiligten nach der Beweisaufnahme nicht locker lassen und kontinuierlich weitere Ergänzungsfragen stellen.[3]

An der Zulässigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens in Familiensachen und an der Zuständigkeit der Familiengerichte ändert das freilich nichts. Das selbstständige Beweisverfahren ist jedenfalls dann eine Familiensache, wenn es sich auf eine anhängige Familiensache bezieht (§ 485 Abs. 1 ZPO). Allerdings sollte es richtigerweise auch in den Fällen des § 485 Abs. 2 ZPO immer dann vor den Familiengerichten betrieben werden, wenn das zu vermeidende Verfahren dort zu führen wäre. Zum Teil wird zwar vertreten, vor Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens sei das selbstständige Beweisverfahren noch keine Familiensache.[4] Überzeugender ist meines Erachtens die Auffassung, die eine Zuständigkeit des Familiengerichts bejaht, wenn sich aus der Antragsschrift ergibt, dass das später zu führende Verfahren eine Familiensache sein wird ("Familiensache kraft verfahrensrechtlichen Sachzusammenhangs").[5] Denn § 113 Abs. 1 FamFG verweist für Familienstreitsachen insgesamt auf die ZPO, was auch für das "vorgelagerte" selbstständige Beweisverfahren gelten muss. Und nach § 486 Abs. 2 S. 1 ZPO ist der Antrag bei dem Gericht zu stellen, das nach dem Vortrag des Antragstellers in der Hauptsache zuständig wäre. Die veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung geht über diesen Punkt allerdings ohne Prüfung der Zuständigkeit hinweg.[6]

Zu beachten ist, dass in Familienstreitsachen und Ehesachen Anwaltszwang besteht und dieser auch für die mündliche Verhandlung im selbstständigen Beweisverfahren gilt. Verfahrenshandlungen kann also grundsätzlich nur ein Anwalt vornehmen,[7] insbesondere kann auch ein wirksamer Vergleich nur bei wirksamer Vertretung geschlossen werden. Der Antrag auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens und seine weitere Durchführung außerhalb einer mündlichen Verhandlung unterliegen dagegen noch nicht dem Anwaltszwang.[8]

[1] Grundlage dieses Beitrags ist ein Vortrag vom 22.11.2019 bei der Herbsttagung 2019 der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV. Die Vortragsform wurde beibehalten.
[2] Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 30 Rn 121 m.w.N.; Kemper/Schreiber/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 30 FamFG Rn 7 hält das selbstständige Beweisverfahren dagegen in fG-Sachen für unzulässig.
[3] Ein weiterer denkbarer Grund könnte darin liegen, dass selbstständige Beweisverfahren keine sog. "Zählkarten" erhalten und sich damit zwar auf die Personalbedarfsberechnung des Gerichts auswirken, aber nicht auf die "Erledigungsstatistik" des jeweiligen Richters.
[4] LG Lüneburg FamRZ 1984, 69; diese Entscheidung zitiert – ohne eigene Stellungnahme – Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 6. Aufl., § 111 FamFG Rn 20.
[5] Keidel/Weber, § 111 FamFG Rn 11.
[7] Zöller/Herget, § 486 ZPO Rn 1.
[8] MüKo-ZPO/Schreiber, § 485 ZPO Rn 5.

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