Leitsatz

  1. Der BGH bestätigt die herrschende Meinung zur werdenden bzw. faktischen "Ersterwerber-Gemeinschaft"
  2. Ein durch Auflassungsvormerkung gesicherter Ersterwerber wird nach Besitzübergabe seiner erworbenen Wohnung faktischer Eigentümer bzw. Mitglied der schon bestehenden faktischen Gemeinschaft
  3. Als faktischer Eigentümer hat er auch die Kosten und Lasten des künftigen gemeinschaftlichen Eigentums anteilig zu tragen
  4. Seine Zahlungsverpflichtung entfällt nicht dadurch, dass nachfolgend die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinn entsteht (Abgrenzung zu Senat, BGHZ 107, 285)
 

Normenkette

§§ 8, 10, 16 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

  1. Die Vorlage zum BGH erfolgte durch das OLG Stuttgart wegen der vom Brandenburgischen OLG vertretenen Mindermeinung in einer entgegenstehenden Entscheidung v. 9.1.2006 (ZWE 2006, 447). Das OLG Brandenburg vertrat die Auffassung, dass nur Wohnungseigentümer im Rechtssinn nach § 16 Abs. 2 WEG zu haften hätten, also nicht auch Mitglieder in einer bereits entstandenen werdenden/faktischen Eigentümergemeinschaft.
  2. Dass künftige Wohnungseigentümer untereinander eine werdende Gemeinschaft bilden können, auf welche die Vorschriften des WEG (einschließlich § 16 Abs. 2 WEG) entsprechend anzuwenden seien, hat der BGH bereits angedeutet (BGHZ 44, 43/44; Senatsurteil v. 5.4.1974, NJW 1974, 1140/1141 sowie Urteil v. 5.12.2003, NJW 2004, 1798/1800).

    Der BGH folgt damit der h.M., dass Ersterwerber vom Bauträger, für die eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen und denen die erworbene Wohnung bereits übergeben worden sei, eine sog. werdende Wohnungseigentümergemeinschaft bildeten. Sie verlören ihre analoge Eigentümerstellung nicht dadurch, dass ein anderer Erwerber vor ihnen als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werde. Mit der Eintragung eines weiteren Ersterwerbers gelangt dann die eigentliche Wohnungseigentümergemeinschaft zur Entstehung; diese setzt sich in diesem Fall aus den Volleigentümern und den bisher werdenden Eigentümern zusammen (so zuletzt auch OLG Köln, NJW-RR 2006, 445 in Korrektur der vorausgehenden Entscheidung, NZM 1999, 765 und überwiegende OLG-Rechtsprechung und Fachliteratur).

    Es besteht ein Bedürfnis für eine vorverlagerte Anwendung der WEG-Vorschriften auf das sog. Anlauf- oder Gründungsstadium einer Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls im Innenverhältnis, d.h. im Verhältnis zwischen dem teilenden (Bauträger-)Eigentümer und den Ersterwerbern. Nach der Konzeption des Gesetzes kann es keine Ein-Personen-Gemeinschaft geben (vgl. auch § 10 Abs. 7 Satz 4 WEG). Bei Teilung nach § 8 WEG entsteht eine Wohnungseigentümergemeinschaft erst, wenn zusätzlich zu dem aufteilenden Eigentümer ein Wohnungskäufer als Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen wird (ebenfalls h.M.). Dies kann allerdings Jahre dauern (etwa bei vom Käufer geltend gemachten Gewährleistungsansprüchen und Ausübung von Zurückbehaltungsrechten hinsichtlich vereinbarter Kaufpreiszahlungen). Eine Anlage muss allerdings schon vorher ab Bezugsfertigkeit und Übergabe von Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden, sinnvollerweise nicht allein durch den Veräußerer, sondern bereits unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer.

    Mit einer Auflassungsvormerkung erlangt ein Käufer bereits eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition und mit der Wohnungsübergabe auch ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Anlage vorzeitig auszuüben.

    Unerheblich ist dagegen, ob die Wohnungsgrundbücher bereits zum Übergabezeitpunkt angelegt sind (nach wie vor strittig in Literatur und Rechtsprechung). Zwar entsteht das Wohnungseigentum im Fall einer Teilung nach § 8 WEG erst mit dem Anlegen der Wohnungsgrundbücher (§ 8 Abs. 2 Satz 2 WEG). Der Anspruch auf Übereignung der Wohnung kann aber schon vorher durch Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch des ungeteilten Grundstücks gesichert werden (h.M.). Hierdurch wird der Erwerber wegen einseitiger Änderungen der Teilungserklärung in gleicher Weise geschützt wie der Berechtigte einer im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Vormerkung (auf Erlangung von Wohnungseigentum). Der Vollzug der Teilungserklärung im Grundbuch ist deshalb für die Entstehung der faktischen Gemeinschaft nicht entscheidend.

    Ersterwerber in faktischer Eigentumsstellung behalten ihre damit verbundenen Rechte und Pflichten auch dann, wenn ein anderer Erwerber vor ihnen als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird. In diesem Zeitpunkt wandelt sich die werdende Gemeinschaft in eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinn um. Für die Übergangszeit setzt sich die Gemeinschaft dann aus den Volleigentümern und den übrigen Mitgliedern der früheren (beendeten) werdenden Gemeinschaft zusammen (h.M.). Andernfalls verlören infolge der Eintragung des ersten Käufers alle anderen Ersterwerber, die bisher mit Stimmrecht und den weiteren Rechten eines Eigentümers ausgestattet waren, diese Rechtsstellung, nur um sie später, nach ihrer Eintragung in das Grundbuch wiederzuerlange...

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