Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Dienstleistungsverkehr. Glücksspiel. Regelung eines Mitgliedstaats, die ein strafbewehrtes Verbot enthält, Glücksspielautomaten mit niedrigen Gewinnen (‚kleines Glücksspiel’) ohne eine von der zuständigen Behörde erteilte Erlaubnis zu betreiben. Beschränkung. Rechtfertigung. Verhältnismäßigkeit. Beurteilung der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage sowohl der Zielsetzung der Regelung im Moment ihres Erlasses als auch ihrer Auswirkungen während ihrer Durchführung. Empirisch mit Sicherheit festzustellende Auswirkungen

 

Normenkette

AEUV Art. 56

 

Beteiligte

Admiral Casinos & Entertainment

Admiral Casinos & Entertainment AG

Balmatic Handelsgesellschaft mbH

Robert Schnitzer

Suayip Polat KG

Ülkü Polat

Attila Juhas

Milazim Rexha

 

Tenor

Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Wiener Neustadt (Österreich) mit Entscheidung vom 26. August 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 2. September 2015, in dem Verfahren

Admiral Casinos & Entertainment AG

gegen

Balmatic Handelsgesellschaft mbH,

Robert Schnitzer,

Suayip Polat KG,

Ülkü Polat,

Attila Juhas,

Milazim Rexha

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin), der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Admiral Casinos & Entertainment AG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Aixberger,
  • der Balmatic Handelsgesellschaft mbH und der Suayip Polat KG sowie der Herren Schnitzer, Polat, Juhas und Rexha, vertreten durch Rechtsanwalt P. Ruth,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von B. Van Vooren und P. Vlaemminck, advocaten,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, T. Müller und J. Vláčcil als Bevollmächtigte,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch K. Kraavi-Käerdi als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E. Tsaousi und A. Dimitrakopoulou als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo, P. de Sousa Inês und A. Silva Coelho als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Admiral Casinos & Entertainment AG (im Folgenden: Admiral Casinos) auf der einen und der Balmatic Handelsgesellschaft mbH und der Suayip Polat KG sowie Robert Schnitzer, Ülkü Polat, Attila Juhas und Milazim Rexha auf der anderen Seite wegen eines Antrags auf Unterlassung des illegalen Betreibens von Glücksspielautomaten in Österreich.

Rechtlicher Rahmen

Österreichisches Recht

Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens

Rz. 3

Das Glücksspielgesetz (Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens) vom 28. November 1989 (BGBl. Nr. 620/1989) in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: GSpG) bestimmt in seinem Art. 2 („Ausspielungen”):

„(1) Ausspielungen sind Glücksspiele,

  1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
  2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und
  3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

(3) Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten liegt vor, wenn die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt. …

(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind.”

Rz. 4

Nach § 3 GSpG („Glücksspielmonopol”) ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten.

Rz. 5

§ 4 und § 5 GSpG sehen allerdings Ausnahmen vom Glücksspielmonopol für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten vor, deren Regelungen dem Landesgesetzgeber vorbehalten bleiben.

Rz. 6

§ 5 GSpG sieht u. a. vor, dass...

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