Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Verordnungen (EWG) Nrn. 3820/85 und 3821/85. Straßenverkehr. Aufzeichnungspflicht. Ruhezeiten und sonstige Arbeitszeiten. Zeit, die dafür aufgewandt wird, sich zum Ort der Übernahme eines mit einem Kontrollgerät ausgestatteten Fahrzeugs zu begeben. Begriff ‚Hauptbetriebsstätte’

 

Beteiligte

Smit Reizen

Smit Reizen BV

Minister van Verkeer en Waterstaat

 

Tenor

1. Der Begriff „Hauptbetriebsstätte” in den Randnrn. 21 ff. des Urteils vom 18. Januar 2001, Skills Motor Coaches u. a. (C-297/99), ist als der Ort zu definieren, dem der Fahrer konkret zugeordnet ist, d. h. die Einrichtung des Verkehrsunternehmens, von der aus er – im Rahmen der normalen Ausübung seines Dienstes und nicht auf besondere Weisung seines Arbeitgebers – regelmäßig seinen Dienst verrichtet und zu der er bei Beendigung des Dienstes zurückkehrt.

2. Für die Bewertung der Wegezeit im Hinblick auf den Begriff „Ruhezeit” im Sinne von Art. 1 Nr. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr macht es keinen Unterschied, ob der Fahrer selbst zum Ort der Übernahme eines mit einem Kontrollgerät ausgestatteten Fahrzeugs fährt oder ob er von jemand anderem dorthin gefahren wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidung vom 25. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2009, in dem Verfahren

Smit Reizen BV

gegen

Minister van Verkeer en Waterstaat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,

auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Smit Reizen BV, vertreten durch P. Mommers, advocaat,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und B. Koopman sowie durch Y. de Vries als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „Hauptbetriebsstätte” in den Randnrn. 21 ff. des Urteils vom 18. Januar 2001, Skills Motor Coaches u. a. (C-297/99, Slg. 2001, I-573), und des Art. 1 Nr. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Smit Reizen BV (im Folgenden: Smit Reizen) und dem Minister van Verkeer en Waterstaat (Minister für Verkehr und Wasserwirtschaft, im Folgenden: Minister) über eine Geldbuße, die wegen Verletzung der Bestimmungen über die Ruhezeiten für Fahrer gegen Smit Reizen verhängt worden war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 3820/85

Rz. 3

Im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 3820/85 heißt es:

„Die gemeinschaftlichen Sozialvorschriften im Straßenverkehr … [bezwecken] die Harmonisierung der Bedingungen des Wettbewerbs zwischen Landverkehrsunternehmen, insbesondere im Straßenverkehrssektor, sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Straßenverkehr. Die in diesen Bereichen erzielten Fortschritte müssen gewahrt und ausgebaut werden; es ist allerdings erforderlich, die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 543/69 flexibler zu gestalten, ohne dass dabei ihre Ziele beeinträchtigt werden.”

Rz. 4

Nach dem 15. Erwägungsgrund derselben Verordnung kann „[d]urch eine Verlängerung der täglichen Lenkzeit bei gleichzeitiger Verkürzung der Gesamtlenkzeit in einem Zeitraum von jeweils zwei Wochen … die Arbeitsorganisation der Verkehrsunternehmen erleichtert und gleichzeitig ein Beitrag zum sozialen Fortschritt geleistet werden.”

Rz. 5

Art. 1 der Verordnung bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

3. ‚Fahrer’: jede Person, die das Fahrzeug, sei es auch nur kurze Zeit, selbst lenkt oder sich in dem Fahrzeug befindet, um es gegebenenfalls lenken zu können;

5. ‚Ruhezeit’: jeder ununterbrochene Zeitraum von mindestens 1 Stunde, in dem der Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann;

…”

Rz. 6

In Art. 8 der Verordnung Nr. 3820/85, der zu ihrem Abschnitt V („Unterbrechungen und Ruhezeit”) gehört, heißt es:

„(1) Der Fahrer legt innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden ein, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt...

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