Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Begriff ‚öffentliche Wiedergabe’. Wiedergabe von Werken in den Zimmern einer Kureinrichtung. Unmittelbare Wirkung der Bestimmungen der Richtlinie Freier Dienstleistungsverkehr. Wettbewerb. Ausschließliches Recht zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten

 

Normenkette

Richtlinie 2001/29/EG; Richtlinie 2006/123/EG; AEUV Art. 56, 102

 

Beteiligte

OSA

OSA – Ochranný svaz autorský pro práva k dílum hudebním o.s

Léčebné lázně Mariánské lázně a.s

 

Tenor

1. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die das Recht der Urheber ausschließt, es zu erlauben oder zu verbieten, dass ihre Werke von einer gewerblich tätigen Kureinrichtung durch die absichtliche Verbreitung eines Signals über Fernseh- oder Radioempfänger in den Zimmern der Patienten dieser Einrichtung wiedergegeben werden. Art. 5 Abs. 2 Buchst. e, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 5 dieser Richtlinie führt zu keiner anderen Auslegung.

2. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass sich eine Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen nicht auf diese Bestimmung berufen kann, um die Anwendung einer gegen sie verstoßenden Regelung eines Mitgliedstaats auszuschließen. Das Gericht, bei dem ein solcher Rechtsstreit anhängig ist, hat diese Regelung jedoch so weit wie möglich anhand von Wortlaut und Zweck dieser Bestimmung auszulegen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von ihr verfolgten Ziel vereinbar ist.

3. Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sowie die Art. 56 AEUV und 102 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die die kollektive Wahrnehmung der Urheberrechte an bestimmten geschützten Werken im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats einer einzigen Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten vorbehält und dadurch Nutzer dieser Werke, wie die im Ausgangsverfahren betroffene Kureinrichtung, daran hindert, die Dienstleistungen einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Verwertungsgesellschaft in Anspruch zu nehmen.

Art. 102 AEUV ist jedoch dahin auszulegen, dass es ein Anzeichen für einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt, wenn die erstgenannte Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten für die von ihr erbrachten Dienstleistungen Tarife erzwingt, die nach einem auf einheitlicher Grundlage vorgenommenen Vergleich erheblich höher sind als die in den übrigen Mitgliedstaaten angewandten Tarife, oder wenn sie überhöhte Preise ohne vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung verlangt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský soud v Plzni (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 10. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli 2012, in dem Verfahren

OSA – Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním o.s.

gegen

Léčebné lázně Mariánské lázně a.s.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer, der Richter M. Safjan und J. Malenovskí sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der OSA – Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním o.s., vertreten durch A. Klech und P. Vojíř, advokáti, sowie durch T. Matějičný als Bevollmächtigten,
  • der Léčebné lázně Mariánské lázně a.s., vertreten durch R. Šup, advokát,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szýjjártó als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Drwięcki, D. Lutostańska und M. Szpunar als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Ondrůšek, I. V. Rogalski und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. November 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 und 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und d...

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