Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr. Fahrpreisentschädigung bei Verspätungen. Ausschluss in Fällen höherer Gewalt. Zulässigkeit. Befugnisse der für die Durchsetzung dieser Verordnung benannten nationalen Stelle. Möglichkeit, einem Eisenbahnbeförderungsunternehmen vorzuschreiben, seine Bedingungen für die Entschädigung der Fahrgäste zu ändern

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 Art. 17, 30 Abs. 1 Unterabs. 1

 

Beteiligte

ÖBB-Personenverkehr

ÖBB-Personenverkehr AG

 

Tenor

1. Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ist dahin auszulegen, dass die für die Durchsetzung dieser Verordnung benannte nationale Stelle im Fall des Fehlens einer dahin gehenden nationalen Rechtsvorschrift einem Eisenbahnunternehmen, dessen Entschädigungsbedingungen für die Fahrpreisentschädigung nicht den in Art. 17 der Verordnung festgelegten Kriterien entsprechen, nicht den konkreten Inhalt dieser Bedingungen vorschreiben darf.

2. Art. 17 der Verordnung Nr. 1371/2007 ist dahin auszulegen, dass ein Eisenbahnunternehmen nicht berechtigt ist, in seine Allgemeinen Beförderungsbedingungen eine Klausel aufzunehmen, wonach es von seiner Pflicht zur Fahrpreisentschädigung bei Verspätungen befreit ist, wenn die Verspätung auf höherer Gewalt oder einem der in Art. 32 Abs. 2 der Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls von Vilnius vom 3. Juni 1999 angeführten Gründe beruht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 8. September 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 30. September 2011, in dem Verfahren

ÖBB-Personenverkehr AG,

Beteiligte:

Schienen-Control Kommission,

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ÖBB-Personenverkehr AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Egger,
  • der Schienen-Control Kommission, vertreten durch G. Hellwagner, N. Schadler und G. Redl als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. März 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 17 und 30 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (ABl. L 315, S. 14).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Beschwerde der ÖBB-Personenverkehr AG (im Folgenden: ÖBB-Personenverkehr) gegen den Bescheid der Schienen-Control Kommission vom 6. Dezember 2010 zu den Bedingungen der Entschädigung von Fahrgästen im Eisenbahnverkehr durch ÖBB-Personenverkehr.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Rz. 3

Die Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Zwischenstaatlichen Organisation für den Internationalen Eisenbahnverkehr über den Beitritt der Europäischen Union zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls von Vilnius vom 3. Juni 1999 (im Folgenden: COTIF), die am 23. Juni 2011 in Bern (Schweiz) unterzeichnet wurde, ist gemäß ihrem Art. 9 am 1. Juli 2011 in Kraft getreten.

Rz. 4

Art. 2 dieser Vereinbarung bestimmt:

„Unbeschadet des Ziels und des Zwecks des Übereinkommens, den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr zu fördern, zu verbessern und zu erleichtern, sowie unbeschadet seiner uneingeschränkten Anwendung gegenüber anderen Vertragsparteien des Übereinkommens wenden Vertragsparteien des Übereinkommens, die Mitgliedstaaten der Union sind, in ihren Beziehungen untereinander die Rechtsvorschriften der Union an und wenden dementsprechend nicht die Vorschriften aufgrund des Übereinkommens an, außer wenn für den betreffenden Gegenstand keine Unionsvorschriften bestehen.”

Unionsrecht

Rz. 5

Die Erwägungsgründe 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1371/2007 lauten:

„(1) Im Rahm...

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