Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehr. Eisenbahnverkehr. Verpflichtung des Infrastrukturbetreibers, den Eisenbahnunternehmen in Echtzeit sämtliche Informationen über Zugbewegungen und insbesondere über etwaige Zugverspätungen zur Gewährleistung der Anschlüsse zur Verfügung zu stellen

 

Beteiligte

Westbahn Management

Westbahn Management GmbH

ÖBB-Infrastruktur AG

 

Tenor

1. Art. 8 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang II Teil II der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ist dahin auszulegen, dass die Information über die wichtigsten Anschlussverbindungen neben den fahrplanmäßigen Abfahrtszeiten auch die Bekanntgabe von Verspätungen oder Ausfällen der Anschlusszüge umfassen muss, unabhängig davon, welches Eisenbahnunternehmen diese Züge bereitstellt.

2. Art. 8 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang II Teil II der Verordnung Nr. 1371/2007 sowie Art. 5 in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur in der durch die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass der Infrastrukturbetreiber verpflichtet ist, den Eisenbahnunternehmen in diskriminierungsfreier Weise Echtzeitdaten der von anderen Eisenbahnunternehmen betriebenen Züge zur Verfügung zu stellen, sofern es sich bei diesen Zügen um die wichtigsten Anschlussverbindungen im Sinne von Anhang II Teil II der Verordnung Nr. 1371/2007 handelt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Schienen-Control Kommission (Österreich) mit Entscheidung vom 11. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 18. März 2011, in dem Verfahren

Westbahn Management GmbH

gegen

ÖBB-Infrastruktur AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), J.-J. Kasel und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Westbahn Management GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte D. Böhmdorfer und R. Schender,
  • der ÖBB-Infrastruktur AG, vertreten durch Rechtsanwälte G. Ganzger, A. Egger und G. Lansky,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Juni 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang II Teil II der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (ABl. L 315, S. 14) sowie von Art. 5 in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75, S. 29) in der durch die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 164, S. 44, berichtigt im ABl. L 220, S. 16) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Westbahn Management GmbH (im Folgenden: Westbahn Management) und der ÖBB-Infrastruktur AG (im Folgenden: ÖBB-Infrastruktur) über deren Weigerung, Westbahn Management Echtzeitdaten anderer Eisenbahnunternehmen zur Verfügung zu stellen, die es ihr ermöglichen würden, ihre Fahrgäste über die tatsächlichen Abfahrtszeiten von Anschlusszügen zu informieren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2001/14

Rz. 3

Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14 lautet:

„Eine stärkere Integration des Eisenbahnsektors der Gemeinschaft ist ein wesentlicher Aspekt der Vollendung des Binnenmarkts und der Bestrebungen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Mobilität.”

Rz. 4

Art. 5 („Leistungen”) der Richtlinie 2001/14 sieht vor:

„(1) Die Eisenbahnunternehmen haben unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung Anspruch auf das in Anhang II beschriebene Mindestzugangspaket sowie auf den dort beschriebenen Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen. Die Erbringung der in Anhang II Nummer 2 genannten Leistungen erfolgt unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung, wobei entsprechende Anträge von Eisenbahnunternehmen nur abgelehnt werden dürfen, wenn vertretbare Alternativen unter Marktbedingungen vorhanden sind. Falls die betreffenden Leistungen nicht von ein und demselben Betreiber der Infrastruktur angeboten wer...

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