Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Zugang zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug. Gemeinsame Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen. Anwendungsbereich. Regelung eines Mitgliedstaats, nach der Kosten für die Übersetzung von Anlagen, die für die Entscheidung über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe erforderlich sind, nicht erstattet werden können

 

Beteiligte

Šalplachta

Jan Šalplachta

 

Tenor

Die Art. 3, 8 und 12 der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen sind in der Zusammenschau dahin auszulegen, dass die Prozesskostenhilfe, die der Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährt, in dem eine natürliche Person, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, in einer Streitsache mit grenzüberschreitendem Bezug Prozesskostenhilfe beantragt hat, auch die von dieser Person verauslagten Kosten für die Übersetzung der Anlagen umfasst, die für die Entscheidung über diesen Antrag erforderlich sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2015, in dem Rechtsbeschwerdeverfahren des

Jan Šalplachta

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Šalplachta, vertreten durch Rechtsanwältin K. Jurisch und Rechtsanwalt P. Probst,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Hellmann, T. Henze und J. Mentgen als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Brezinová, M. Smolek und J. Vláčcil als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch M. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Februar 2017,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 und 2 der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. 2003, L 26, S. 41, Berichtigung ABl. 2003, L 32, S. 15).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens des Herrn Jan Šalplachta, dem ein Klageverfahren auf Zahlung rückständigen Arbeitslohns durch seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Elektroanlagen & Computerbau GmbH, zugrunde liegt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 5, 6, 18 und 23 der Richtlinie 2003/8 lauten:

„(5) Diese Richtlinie zielt darauf ab, die Anwendung der Prozesskostenhilfe in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug für Personen zu fördern, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten. Das allgemein anerkannte Recht auf Zugang zu den Gerichten wird auch in Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestätigt.

(6) Unzureichende Mittel einer Partei, die als Klägerin oder Beklagte an einer Streitsache beteiligt ist, dürfen den effektiven Zugang zum Recht ebenso wenig behindern wie Schwierigkeiten aufgrund des grenzüberschreitenden Bezugs einer Streitsache.

(18) Die Komplexität und die Unterschiede der Gerichtssysteme der Mitgliedstaaten sowie die durch den grenzüberschreitenden Charakter von Streitsachen bedingten Kosten dürfen den Zugang zum Recht nicht behindern. Die Prozesskostenhilfe sollte daher die unmittelbar mit dem grenzüberschreitenden Charakter einer Streitsache verbundenen Kosten decken.

(23) Da die Prozesskostenhilfe vom Mitgliedstaat des Gerichtsstands oder vom Vollstreckungsmitgliedstaat gewährt wird, mit Ausnahme der vorprozessualen Rechtsberatung, wenn die Person, die Prozesskostenhilfe beantragt, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Mitgliedstaat des Gerichtsstands hat, muss dieser Mitgliedstaat sein eigenes Recht unter Wahrung der in dieser Richtlinie festgeschriebenen Grundsätze anwenden.”

Rz. 4

Art. 1 („Ziele und Anwendungsbereich”) der Richtlinie 2003/8 bestimmt:

„(1) Ziel dieser Richtlinie ist die Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für ...

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