Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts. Einheitliche Vorschriften. Anwendung des Rechts des Staates des angerufenen Gerichts

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 Art. 10

 

Beteiligte

JE

JE

KF

 

Tenor

Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts ist dahin auszulegen, dass der Ausdruck „[s]ieht das nach Artikel 5 oder Artikel 8 anzuwendende Recht eine Ehescheidung nicht vor” nur Fälle betrifft, in denen das anzuwendende ausländische Recht gar keine Form einer Ehescheidung vorsieht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Bucureşti (Landgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 11. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 25. März 2019, in dem Verfahren

JE

gegen

KF

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch C.-R. Canţăr, E. Gane, O.-C. Ichim und L. Liţu, dann durch E. Gane, O.-C. Ichim und L. Liţu als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und E. Lankenau als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Barros da Costa, L. Medeiros und S. Duarte Afonso als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und A. Biolan als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. März 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (ABl. 2010, L 343, S. 10).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen JE und KF über die Bestimmung des auf ihre Ehescheidung anzuwendenden Rechts.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. 2003, L 338, S. 1) lautet:

„Für Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe … sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig,

b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, in dem sie ihr gemeinsames ‚domicile’ haben.”

Verordnung Nr. 1259/2010

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 9, 21, 24, 26 und 29 der Verordnung Nr. 1259/2010 heißt es:

„(9) Diese Verordnung sollte einen klaren, umfassenden Rechtsrahmen im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts in den teilnehmenden Mitgliedstaaten vorgeben, den Bürgern in Bezug auf Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Flexibilität sachgerechte Lösungen garantieren und Fälle verhindern, in denen ein Ehegatte alles daran setzt, die Scheidung zuerst einzureichen, um sicherzugehen, dass sich das Verfahren nach einer Rechtsordnung richtet, die seine Interessen seiner Ansicht nach besser schützt.

(21) Für den Fall, dass keine Rechtswahl getroffen wurde, sollte diese Verordnung im Interesse der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit und um zu vermeiden, dass ein Ehegatte alles daran setzt, die Scheidung zuerst einzureichen, um sicherzugehen, dass sich das Verfahren nach einer Rechtsordnung richtet, die seine Interessen seiner Ansicht nach besser schützt, harmonisierte Kollisionsnormen einführen, die sich auf Anknüpfungspunkte stützen, die einen engen Bezug der Ehegatten zum anzuwendenden Recht gewährleisten. Die Anknüpfungspunkte sollten so gewählt werden, dass sichergestellt ist, dass die Verfahren, die sich auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes beziehen, nach einer Rechtsordnung erfolgen, zu der die Ehegatten einen engen Bezug haben.

(24) In bestimmten Situationen, in denen das anzuwendende Recht eine Ehescheidung nicht zulässt oder einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zu einem Scheidungs- oder Trennungsverfahren gewährt, sollte jedoch das Recht des angerufenen Geri...

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